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Als es »Grazie« hieß,
wuschst du dich selbst
mit deiner Seife.
Als es »Thank you« hieß,
wusch sich mit deiner Seife
der Engländer.
Nun heißt es »Amazegenalo«,
und deine Seife
frisst du vor Hunger.
Den Sorgen von gestern weint man gerne nach, wenn man sie mit denen von
heute vergleicht, in Äthiopien wie überall. Und ein passendes Maß an
Nostalgie für die Italiener war seit den fünfziger Jahren unter Kaiser Haile
Selassie nicht verboten. Man zog ein gewisses Wohlwollen der Bitterkeit vor,
die von den nie gezahlten Kriegsreparationen ausging oder von der
Weigerung, den Obelisken von Aksum zurückzuerstatten. Außerdem hatten
die Untertanen des Löwen von Juda Anfang der siebziger Jahre, also drei
Jahrzehnte nach dem Ende der faschistischen Besatzung, andere Probleme.
Folglich vermied man sämtliche Ansprüche, die in viel aktuellere
Unzufriedenheiten hätten münden können: die versprochene Modernisierung,
die nur schleppend vorankam, die völlig überzogenen Privilegien, welche die
Adligen nach wie vor genossen. Bis dann 1973 die Hungersnot, die Äthiopien
hinwegfegte, das Fass zum Überlaufen brachte, selbst für ein Volk, das an
Bauchschmerzen vor Hunger gewöhnt war.
»Missgeschicke sind wie Schafe, sie kommen reihenweise«, sagte Abeba
zu ihren Kunden in dem kleinen Laden mit Kaffeestube, die sich mit den
Jahren zu einem Treffpunkt in Lideta entwickelt hatte, dem neuen Viertel im
Westen von Addis Abeba. Man konnte ihr kaum widersprechen. Der Hunger
hielt das Hochland im Landesinneren seit über einem Jahr fest im Griff und
hatte zum Aufstand eines Militärkomitees (auf Amharisch derg) geführt, bei
dem der bereits betagte Kaiser abgesetzt wurde. Klein und zerbrechlich wie