und wurde von einer Vertretungskraft ersetzt. Wie viele junge Frauen Anfang
der siebziger Jahre trug sie lange, bunte Röcke, ließ die Haare offen und war
überzeugt davon, dass es ihre Hauptaufgabe sei, den Kindern Brüderlichkeit
unter den Menschen beizubringen. Eines Morgens diktierte sie ihnen die
Fragestellung für einen Aufsatz: »Hast du schon einmal einen Neger
gesehen? Erzähle davon.«
Es wurde kein Erfolg. Italien war noch ein Land, in dem ein Immigrant
jemand war, der jetzt in New York, Deutschland oder Australien lebte.
Wenige Schüler hatten schon mal Menschen von anderen Kontinenten
gesehen. Über die Hälfte schrieb daher einfach »Nein« auf ihr Blatt. Andere
waren etwas gesprächiger: »Nein, nur im Kino oder im Fernsehen.« Unter
den wenigen, die schon so etwas Außergewöhnliches erlebt hatten, war ein
besonders scharfsinniger Schüler, der genau wusste, worauf die Lehrerin
hinauswollte. Er schrieb: »Ja, einmal, aber ich fand ihn nicht minderwertig.«
Auch Ilaria wusste, was die Vertretungskraft wollte, aber sie hatte noch nie
jemanden mit dunkler Hautfarbe gesehen, also live. Der erste schwarze
Mensch sollte ihr ein paar Jahre später begegnen, 1975, mit zehneinhalb, als
die eritreischen Dienstmädchen nach Italien kamen.
Ihr Mädchen hieß Haddas. Sie floh vor dem gerade ausgebrochenen Krieg
zwischen jenem Land, das mancher Journalist immer noch als »unsere erste
Kolonie« bezeichnete – obwohl es das seit über dreißig Jahren nicht mehr
war –, und Äthiopien, an dessen italienische Besatzung sich lieber niemand
mehr erinnern wollte. Der Pfarrer Don Samuele hatte sie Marella als »tüchtig,
aufgeweckt und sauber« angepriesen und ihr versichert, sie sei keine Wilde.
Die Klosterschwestern in Asmara hätten ihr beigebracht, wie man die Sachen
»auf italienische Art« macht. Sie hatten sie kochen gelehrt und die
italienische Sprache, die sie auf etwas altmodische, blumige Art benutzte: wie
ein lange eingemottetes Kleid. Marella fand sie zwar ein wenig jung, stellte
sie aber trotzdem für eine Woche zur Probe ein.
Freundinnen von ihr ließen die eritreischen Hausmädchen weiße
Handschuhe tragen, wenn sie bei Tisch servierten (»wegen der dunklen
Hände, weißt du«), doch Marella empfand dies als Zurschaustellung. Sie gab
ihr nur ein weißes Häubchen für die Haare, einen gestreiften Kittel und eine
weiße Schürze mit Spitzenlatz zum Servieren der Gerichte.
»Dein Name ist ein bisschen kompliziert, ich werde dich Ada nennen.
Das ist dir doch recht, oder?«
jeff_l
(Jeff_L)
#1