Alle ausser mir

(Jeff_L) #1

Diskussion geführt. Außer an zwei Orten: in den Büroräumen von Edoardo
Casatis Firma, wo den Angestellten untersagt worden war, die
Unauflöslichkeit des Ehesakraments in Frage zu stellen, und in Anitas
Wohnung, zumindest solange Attilio da war. Als es an die Abstimmung ging,
votierte Attilio Profeti gegen die Scheidung. Marella und Anita hingegen
stimmten beide dafür.
Wenn sie zusammen zu Abend essen konnten, verhielten Attilio und
Anita sich wie ein frisch verliebtes Brautpaar: der schön gedeckte Tisch mit
Leckereien, mit deren Zubereitung Anita viele Stunden verbrachte, das
Plaudern auf dem Sofa, eine kostbare Stunde Ruhe in enger Umarmung.
Streng verboten war jede Anspielung auf die Zukunft. Bis Anita ihm eines
Tages das Ergebnis des Urintests gezeigt hatte.
»Was soll ich jetzt tun?«, hatte sie ihn gefragt. Um dann schnell
hinzuzufügen, als sei sie ein Kind, das einen kapriziösen Wunsch ausspricht:
»Ich würde es so gerne behalten.«
Abtreibungen waren in Italien noch illegal, doch es gab ein paar private
Arztpraxen, in denen derlei Probleme gelöst wurden. Ihre Diskretion kostete
nicht wenig, doch das war für Attilio kein Problem mehr.
»Kopf hoch, mach dir keine Sorgen«, hatte er gesagt und sie an sich
gezogen, mit der guten Laune von Menschen, die keinen Grund zur Sorge
haben. »Das entscheiden wir später.«
Doch als er ihre Wohnung verlassen hatte, die Stadt durchquerte auf dem
Weg zu dem Heim, wo drei seiner Kinder und ihre Mutter schliefen, blieb er
an einer gelb blinkenden Ampel stehen. Er war rechts rangefahren und hatte
den Kopf auf die Hände am Lenkrad sinken lassen. Die Unaufhaltsamkeit der
biologischen Prozesse, die in Anitas Gebärmutter abliefen, waren jäh und mit
mörderischer Kraft über ihm zusammengestürzt. »Ich würde es so gerne
behalten«, hatte sie gesagt. Sie hatte ihn um Erlaubnis gebeten, seinen Sohn
auf die Welt zu bringen. Wenn er sie nicht erteilte, würde sie abtreiben – so
sehr liebte sie ihn. Attilio hatte sich von der Ampel anblinken lassen, hatte
bei ihr nach Rettung gesucht, wie ein verirrtes Schiff, das dem Leuchtturm
folgt. Als er zwei Stunden später erwachte, sprang die Ampel schon wieder
von rot auf grün, und es dämmerte.
Heute, am ersten Sonntag nach jener Nacht, war Attilio nervös.
Marella war mit Ilaria zu einem Kindergeburtstag gegangen. Haddas
verbrachte ihren freien Nachmittag mit ein paar Landsmänninnen. Auch

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