Alle ausser mir

(Jeff_L) #1

wusste von ihrem Ehemann. Eins aber wusste sie, nämlich dass er sich
niemals so an ihrem Duft berauscht hatte, dem Duft der Frau, die er
zweiundzwanzig Jahre zuvor geheiratet hatte.
Attilio war versunken in eine unnennbare Sehnsucht, er bemerkte nicht,
dass er beobachtet worden war. Und Marella schwieg, als sie abends mit
Ilaria zurückkam. Am nächsten Abend jedoch trug sie selbst die Speisen auf.
»Wo ist die Afrikanerin?«, fragte Emilio.
»Ich habe ihr gekündigt«, erwiderte Marella. »Ich mochte nicht, wie sie
kochte.«
»Schade«, sagte Federico. »Sie war zwar ein bisschen schmächtig, hatte
aber einen hübschen Arsch.«
Langsam hob Attilio den Blick vom Teller und legte ihn auf seinen
Ältesten, der ihm sehr ähnlich sah, die gleiche Augenfarbe, die gleiche gerade
Nase wie er. Wann genau in der Verwandlung vom lockigen Knaben zum
Mann war er so aufgeblasen, so rüpelhaft und so egozentrisch geworden,
kurz: so mies?
›Ich in seinem Alter habe gerade den Amba Work erobert.‹
Attilio wischte mit der Serviette über seinen Mund und wandte sich zum
zweiten Mal in zwei Tagen direkt an Marella.
»Die nächste nimmst du wieder aus Italien.«
An diesem Abend bat Haddas bei einer Landsmännin um Unterschlupf.
Doch die wäre entlassen worden, wenn die Signori erfahren hätten, dass sie
eine Freundin in dem winzigen Schlafraum beherbergte. Also wandte sich
Haddas an Don Samuele. Er schimpfte mit ihr, weil sie doch bestimmt etwas
Schlimmes getan hatte, wenn ihr schon nach drei Tagen gekündigt wurde,
dann überließ er sie der Fürsorge seiner Haushälterin. Zum Glück war die
Nachfrage nach Personal groß, so dass Haddas nur drei Tage später ihren
Koffer unter die nächste Metallpritsche schieben konnte, im nächsten
Hinterzimmer eines anständigen Hauses.
In der Zwischenzeit hatte Attilio seinen Entschluss gefasst.
Ja, sagte er zu Anita. Sie durfte es behalten. Aber unter der
Voraussetzung, dass sich ansonsten nichts änderte.
»Mir reicht es, wenn du ihm deinen Nachnamen gibst«, erwiderte Anita.
Attilio Profeti war so dankbar, dass sie nicht mehr verlangte –
Scheidungen, Szenen, Umzüge, neue Hochzeiten –, dass er dem Kind bei
seiner Geburt auch seinen Vornamen gab.

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