Alle ausser mir

(Jeff_L) #1

gesucht für das Vereinsblatt. Beim Warten auf die Ausgabe habe ich mir die
Zeit vertrieben, indem ich nach Namen von Bekannten im Katalog gesucht
habe. Und mit deinem habe ich angefangen.«
»Was hat dieser Ceriani damit zu tun?«
»Cipriani. Auf einer Karteikarte tauchte er als Autor auf, zusammen mit
dir.«
Attilio drehte den Löffel in der Tasse und schüttelte den Kopf. »Keine
Ahnung, wer das ist. Und der andere ist vielleicht ein Namensvetter von
mir.« Dann schob er mit ungerührter Neugier die Unterlippe vor und fragte
seine Frau: »Was war das denn für ein Buch?«
»Keine Ahnung, ich wollte es nicht bestellen, das dauert immer so
lange.« Sie sah ihren Mann verstohlen an. »Der Titel klang allerdings
ziemlich merkwürdig.«
Attilio lächelte sie in friedfertiger Überraschung an. »So was. Und ich
hielt mich immer für den Einzigen mit diesem Namen. Aber nein. Tja, dann
weißt du seit heute: Es gibt zwei Attilio Profetis.«
Dann erhob er sich, ohne zu bemerken, dass er gerade die Existenz seines
Letztgeborenen offenbart hatte.
Marella hätte vielleicht nie mehr an den geheimnisvollen Autor mit
demselben ungewöhnlichen Namen ihres Mannes gedacht – diese Mischung
aus antikem Rom und Melodram. Wäre nicht ein paar Tage später die
Zugehfrau gekommen (namens Jovilyn, die im Hause Profeti der Einfachheit
halber Giovanna genannt wurde, mit Mann in Manila, den sie nicht
vermisste, im Gegensatz zu den zwei erwachsenen Söhnen und vor allem den
drei kleinen Enkeln) und hätte die Taschen der Schmutzwäsche geleert, bevor
sie sie in die Waschmaschine tat. Marella erkannte in dem Zettelchen, das die
Philippinin ihr gab, den Bestellabschnitt der Nationalbibliothek. Allerdings
konnte es nicht ihr eigener von vor ein paar Tagen sein, denn Jovilyn sagte,
sie habe den Zettel »in einem Hemd des Signore« gefunden. Der Titel des
bestellten Buches lautete: Schriften zum faschistischen Rassismus – Cipriani,
Lidio, Profeti, Attilio et al.
Marella starrte auf den Schnipsel. Die Evidenz der Fakten ließ sie im
Geiste alle Teilchen aneinanderreihen, die diesen Zettel in Attilios Tasche
gelegt hatten: ihre Frage, ob er einen Cipriani kenne, sein Leugnen, um dann
am nächsten Tag in die Bibliothek zu gehen und persönlich den Inhalt des
Buches zu überprüfen. Warum? Warum verwandte er so viel Zeit – vor allem

Free download pdf