soll, außer die Fahrt im Panda, um die er nicht gebeten hatte. Und dann ist sie
wieder da, die alte Frage: Was weiß sie wirklich von ihm? Nichts. Weniger
als von jedem anderen.
Und dann diese Bilder von den verrenkten, verätzten Leichen. Der
Einsatz von Senfgas in Äthiopien war ein Kriegsverbrechen, warum verhöhnt
man ihn mit diesem Begriff aus dem Medizinlehrbuch? Und was hat vor
allem Attilio Profeti damit zu tun?
Wie gerne würde sie mit dem Grübeln aufhören.
Die Nachrichten kennen kein anderes Thema als die Abreise des
libyschen Oberst. Von morgen an kann Rom wieder zu seinem gewohnten
Alltagschaos zurückkehren, ohne dass ein megalomaner Diktator auf Reisen
die Lage verschärft. Sie muss daran denken, wie Gaddafi im Fernseher zu
sehen war und der Junge in der Küche sich weggedreht hat, als sei allein sein
Anblick für ihn unerträglich. ›Wo er jetzt wohl ist?‹, fragt sich Ilaria. ›Wie es
ihm wohl geht?‹
»Wir fragen nun diejenigen, die ihn aus nächster Nähe gesehen haben und
die mittlerweile allgemein als ›Gaddafis Töchter‹ bekannt sind«, flötet die
Blonde hinter dem Plexiglasschreibtisch im Fernsehstudio. Ilaria zieht ihr
eine genervte Grimasse und zielt mit der Fernbedienung auf die Mattscheibe.
Doch eine Sekunde bevor sie auf den Auslöser drückt, hält sie inne. Auf dem
Bildschirm ist eine junge Frau aufgetaucht – hohe Stirn, grüne, tiefliegende
Augen. Sie erkennt sie. Rechts und links von ihrem Gesicht hängen die zwei
Ohrringe, die sie gestern nicht ablegen wollte. Ein Reporter, der ihr das
Mikrophon fast zwischen die Zähne schiebt, bittet sie, die ›Koran-Stunde‹ zu
beschreiben.
»Das darf ich nicht«, erwidert das Mädchen. »Wir haben uns vertraglich
dazu verpflichtet, Stillschweigen zu bewahren. Aber ich bitte die
Journalisten, uns nicht alle über einen Kamm zu scheren. Da drinnen waren
Frauen jeder Couleur.«
»Was glauben Sie, warum der Oberst gerade euch ausgewählt hat?«, fragt
der Reporter säuselnd. »Wegen eurer Schönheit?«
Die junge Frau, die zwar hübsch, aber nicht umwerfend attraktiv ist, wirft
ihm einen alles andere als hohlen Blick zu. »Schauen Sie, das kann ich Ihnen
nicht sagen. Ich glaube eher, dass Schönheit vor allem ein Bedürfnis der
anderen ist, um die Beziehung zum Gegenüber zu erleichtern. Man kann sie
jeff_l
(Jeff_L)
#1