Mit einem Teil seiner in den Kolonien angehäuften Reichtümer kaufte der
Marschall ein großes Stück Land auf der karstigen Hochebene von
Arcinazzo, nicht weit von dem Dorf entfernt, wo sein Vater Amtsarzt
gewesen war. Er pflanzte Olivenbäume, baute Ställe, traf persönlich die
Auswahl des Viehs. Um den großen Tisch im Esssaal standen Stühle mit dem
Adelswappen auf der Rückenlehne, das die frisch gebackene Markgräfin Ines
persönlich entworfen hatte. Ins Goldene Buch des italienischen Adels wurde
das Wappensymbol des Hauses Graziani mit dieser Beschreibung
aufgenommen: ›geteilt, im ersten auf rotem Grund ein Adler mit
ausgebreiteten Schwingen, natürlich, haltend ein silbernes Schwert im
Schildbalken; im zweiten auf goldenem Grund der Pflug stehend auf unteren
Feldern, flankiert von zwei Palmen, deren Kronen die Felder überlagern, alles
natürlich.‹ Darunter ein Schild mit dem Wahlspruch ENSE ET ARATRO. So
sah sich Graziani jetzt: als edler Krieger und Bauer.
In einem der Salons in dem großen Haus stand auf einem
Mauervorsprung eine beleuchtete Vitrine. Darin, neben dem goldenen, mit
Schnörkeln, Adlern und Liktorenbündeln verzierten Marschallstab, einem
Geschenk des Vereins der Kriegsversehrten, lag eine zerrissene
Paradeuniform mit großen rotbraunen Flecken. Diese hatte er während des
Attentats von Addis Abeba getragen, als unzählige Granatsplitter in seinen
Körper gefahren waren, von denen mindestens zweihundert immer noch dort
steckten. Mehr als jedes Wappen und jeder Adelstitel waren sie die Reliquie
seiner Revanche gegen die Militäreliten, die ihn ein Leben lang als
minderwertig erachtet hatten. Der Beweis, dass das Blut in seinen Adern als
Neu-Markgraf nicht weniger edel war als das der Nachkommen von Päpsten.
Im Gegensatz zu ihnen, die immer in der Etappe gelegen hatten, hatte er sein
Blut für das Vaterland vergossen.
Der Name, den Graziani dem großen, unpassenderweise einem Schweizer
Chalet nachempfundenen Haus in der Mitte des Landguts gegeben hatte, war
hingegen ganz unspektakulär: Villa Schneewittchen. Auf einer Säule neben
dem Eingangstor war auf einer Keramikkachel die Zeichentrickprinzessin
abgebildet, die man auf der ganzen Welt kannte. Viele hielten sie für eine
Hommage an seine Frau, die Graziani immer noch sehr liebte. Ihre blasse
Haut und das rabenschwarze Haar verliehen Markgräfin Ines tatsächlich eine
gewisse Ähnlichkeit mit der Disney-Prinzessin. Doch war dies nicht der
Grund, warum der Markgraf sich den Film immer wieder angeschaut hatte –
jeff_l
(Jeff_L)
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