jemand ertrank. Die olfaktorische Kraft des Projekts blieb also erhalten,
wenngleich im gegenteiligen Sinn: Gestank statt Wohlgeruch. Seinen Zweck
als natürliche Grenze erfüllte der Fluss trotzdem. Auf der einen Seite die
grünen Viertel der Italiener, auf der anderen die Abessinier in mehr schlecht
als recht zusammengestauchten Baracken ohne Strom und fließendes Wasser,
entlang der staubigen Straßen, durch die sich schwarze Fäkalienbäche ihren
Weg unter offenem Himmel bahnten. Hier lebte Abeba, seitdem sie von dem
Eigentümer des Hauses, in dem sie mit Attilio bis zu dessen Rückkehr nach
Italien gewohnt hatte, vor die Tür gesetzt worden war.
Die Bürgersteige, auf denen sie nun ihre Tage verbrachte, gehörten zu
dem italienischen Verwaltungsviertel Piazza. Es lag oben auf dem Hügel und
war nicht groß, in wenigen Jahren waren hier die Gebäude der faschistischen
Verbände entstanden, das Kino Impero, die Post. Früher oder später traf man
hier die gesamte italienische Gemeinde. Eines Nachmittags, kurz bevor sich
die äquatoriale Nacht schwer auf die Stadt herabsenkte, war Abeba nach
einem weiteren fruchtlosen Tag auf dem Heimweg zu ihrer Hütte am anderen
Ende der Stadt, als sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite Carbone sah.
Ohne zu überlegen rannte sie ihm entgegen und rief mit lauter Stimme seinen
Namen.
Abeba war nie bei Attilios ehemaligem Kameraden zu Hause gewesen,
weil es nicht üblich war, seine Madama zu Besuchen mitzunehmen. Doch
wenn Carbone zu ihnen kam, hatte Abeba ihm den Kaffee serviert. Auch er
erkannte sie sofort. Er staunte über den kleinen Lockenkopf, der auf ihrem
Rücken hing. ›War sie nicht unfruchtbar?‹, überlegte er bei sich.
Während Abeba ihn um Hilfe bat, dachte Carbone an die einäugige Frau,
die jeden Abend zu Hause neben seiner Autowerkstatt auf ihn wartete. Wenn
er sie nahm, achtete er stets sorgsam darauf, eines der Präservative zu
benutzen, die man diskret und teuer in der Apotheke von Piazza kaufen
konnte. Was in Italien als »Sabotage an der Fruchtbarkeit der Familie«
verboten war, wurde in den Kolonien als Schutz vor Rassenmischung
toleriert. Gerne hätte er Kinder von Maaza gehabt, auch mehr als eins. Er
empfand ihr gegenüber eine tiefe, fast eheliche Zuneigung. Doch er wollte
keine Kinder auf die Welt setzen, denen er per Gesetz nicht seinen Namen
geben durfte. Es war schon schwierig genug, unauffällig zusammenzuleben
und nicht von bösen Zungen wegen des Delikts des Madamatos denunziert zu
werden.
jeff_l
(Jeff_L)
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