Alle ausser mir

(Jeff_L) #1

Schlepper? Warum lässt du ihm das ganze Geld schicken, von deiner Mutter,
von Freunden, Bekannten, obwohl du weißt, dass er es sich einfach in die
Tasche stecken und dich zurücklassen könnte? Weil der Schlepper das GPS
in der Hand hält, also dein Leben. Du bist raus und willst diesen
wunderbaren Traum weiterträumen. Das Feuer verbrennt dich, und du musst
ihm folgen. Du kannst nur weitergehen, obwohl zwischen dir und deinem
Traum ein Nichts aus Sand ist, denn das, was hinter dir liegt, existiert nicht
mehr.
Gott hatte gesprochen, und sein Wort hatte den jungen Mann, der einst
ein teacher war, aus der Sahara herausgeführt, über ihre Grenze. Was ist eine
Grenze mitten in der Wüste? Eine unsichtbare Linie, hinter der dich die einen
schlagen, die anderen dir zu trinken geben, dir dein Geld klauen oder alles
zusammen. Oder auch, wo niemand mehr ist, weil der Fahrer vom Weg
abgekommen ist und man stirbt.
In einer Oase zwischen dem Sudan und Libyen – der Junge wusste nicht,
auf welcher Seite der Grenze – hatte der Mann mit dem GPS gesagt: »Deine
Familie hat meinem Partner in Addis Abeba nicht die awala gegeben, die
noch fehlten, für dich ist die Reise hier zu Ende.«
›Gedankt sei dir, oh mein Gott‹, dachte da der Junge, ›dass ich aus den
vielen diesen Mann gewählt habe.‹ Er wusste, dass andere Schlepper ihren
Passagieren diese Rede nicht in einer Oase halten, sondern auf dem Weg
mitten im Nirgendwo, indem sie ihnen eine Flasche mit einem halben Liter
Wasser in die Hand drücken und die Gewissheit zu sterben.
Der Junge sah sich in der Oase um und fragte sich: ›Wie mag es wohl
sein, hier den Rest meiner Tage zu verbringen, stranded für immer, in der
Blutröte des Morgens, unter diesen drei struppigen Palmen und neben den
ausgetrockneten Hundegerippen, die in der glühenden Luft schon nach
wenigen Stunden nicht mehr stinken? Wie es sich wohl anfühlt, zu
Sandknochen zu werden?‹ Er dachte weder an seine Mutter noch an ayat
Abeba noch an seinen Cousin. Stattdessen fiel ihm Tsahai ein. Er hoffte aus
ganzem Herzen, dass der neue Lehrer ihre Eltern davon überzeugen konnte,
sie nicht zu Hause zu behalten, sondern zum Lernen zu schicken. Zum ersten
Mal, seit er raus war, dachte er an dieses kluge und wissbegierige Kind und
spürte, wie die Tränen ihm von innen gegen die Augen drückten. Die er nicht
weinte, denn in der Wüste Wasser zu verschwenden ist eine Todsünde.
Wochenlang blieb er in der Wüste, vielleicht Monate, er wusste es selbst

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