Demonstration gegen dieses damals neue Phänomen dabei, neu zumindest für
die Italiener, die als weltweite Auswanderer Rassismus bis dahin höchstens
am eigenen Leib erfahren hatten. Das war 1989 als Reaktion auf den Mord an
Jerry Masslo in Villa Literno, und Valente befand sich noch mitten im
Jurastudium. Das einzig spürbare Resultat dieser Demonstration war, dass die
Liste mit den Wörtern, durch die man sich qua Negation definieren konnte,
länger wurde: der Grundbegriff war »Faschismus«, dann kam »Rassismus«,
jetzt gab es den »Berlusconismus«, doch Valente wusste, dass weitere folgen
würden. Dann sagt man: »Ich bin Anti-dies, Anti-das« und fühlt sich auf der
richtigen Seite. Wenn es doch nur so einfach wäre, liebe Genossen. Wenn das
nur reichen würde.
Zwanzig Jahre lang hat Piergiorgio Valente die Grundrechte des
Menschen verteidigt (also: das Leben – das mancher seiner Klienten mit dem
Ablehnungsbescheid verliert, sollte er in seine Heimat zurückkehren) und hat
dabei fast alle Gewissheiten von früher verloren. Doch von einem ist er
überzeugt: Gegen den Rassismus auf die Straße zu gehen bringt ungefähr so
viel, wie gegen die Bösartigkeit allgemein auf die Straße zu gehen.
Der Rassismus, das hat er mittlerweile begriffen, ist nur ein
Spiegelkabinett, eine Illusion. Er ist die wirksamste Art, den Kampf gegen
die Ungleichheiten zu unterbinden – den Klassenkampf, so nannte man das
früher. Er dient dazu, die Vorletzten gegen die Letzten aufzuhetzen, denen sie
sich überlegen fühlen, damit sie sich nicht zusammen gegen die Ersten
auflehnen. In Amerika zum Beispiel lynchten die ehemaligen Sklaven die
Weißen aus der Unterschicht, nicht etwa die Plantagenbesitzer. Im Italien des
neuen Jahrtausends gilt derselbe Trick. Überzeuge die Arbeitslosen davon,
dass dir nicht die Spekulanten deinen Arbeitsplatz wegnehmen, sondern die
Einwanderer, und siehe da: Sie gehen los und verprügeln die
Schwarzmarkthändler, anstatt eine Revolution anzuzetteln. Und so lange hält
der Agrar- und Nahrungsmittelmarkt in Italien seine Preise niedrig und
wettbewerbsfähig. Zwei Fliegen mit einer Schwarzmarktklappe.
Valente starrt auf das Mars-Papier. Wer hat seinen Schokoriegel
gegessen? Ach ja, er hat ihn sich eben selbst in den Mund geschoben, sobald
der vorige Klient durch die Tür war, ein Philippiner, der sich einen Monat vor
seiner Verhandlung über die Staatsbürgerschaft geprügelt hat – Herr im
Himmel, wie bescheuert kann man denn sein? Mechanisch hat er gekaut, mit
übervollem Mund. Und hätte der Präsident der Republik persönlich
jeff_l
(Jeff_L)
#1