hohe Stirn, voller Mund, die Haare zwischen gelockt und gekraust. Der Alte
hebt eine Hand, die älter erscheint als die Kirche selbst, und bedeutet den
Leuten vom Bestattungsinstitut zu warten. Sie treten mit gesenktem Kopf
einen Schritt zurück.
»Wer ist das?«, raunt Ilaria ihrer Mutter zu, die erstaunt den Kopf
schüttelt.
»Keine Ahnung.«
Der Alte tritt langsam vor. Er legt die Hand auf den Sarg und verharrt
lange. Die junge Frau stützt ihn geduldig und wartet, bis er fertig ist.
»Aber klar ... Das ist Carbone!«, flüstert plötzlich Marella. »Sein
Kriegskamerad, der versandet ist. Zu Weihnachten hat er immer eine Flasche
Wein geschickt, er sagte, Papà habe ihm das Leben gerettet. Er war ein wenig
älter.«
Als der Mann endlich die Hand löst, wirft die junge Frau den Männern in
Grau einen auffordernden Blick zu. Sie kommen heran, heben den Sarg auf
und tragen ihn mit langsamen Schritten durch das Mittelschiff zum
Kirchenportal. Direkt hinter ihnen geht der Alte, gestützt auf seine Enkelin
oder Urenkelin. Ilaria tritt näher.
»Signor Carbone, guten Tag. Ich bin Ilaria Profeti. Attilio war mein
Vater.«
Carbone blickt sie mit geröteten Augen an.
»Liebes Kind ...«
»Signor Carbone, ich muss Sie etwas fragen. Mein Vater hatte einen
Briefumschlag, auf dem die Anschrift Ihrer Autowerkstatt in Addis Abeba
stand. Er hat ihn immer aufbewahrt. Niemals weggeschmissen. In dem
Umschlag waren Fotos ...«
Carbone sieht sie mit der Hilflosigkeit dessen an, der versucht, eine
Sprache zu verstehen, von der er nur ein paar Brocken spricht.
»Ich vermute, dass sie die Auswirkungen von Yperit dokumentieren.«
Carbone starrt sie schweigend an.
»Senfgas. Warum waren sie in einem Umschlag mit Ihrem Namen? Was
war die Operation Morbus Hansen? Was hatte mein Vater damit zu tun?«
Carbone hebt die Hand und streicht ihr in einer wächsernen Berührung
über die Wange. »Dein Vater war ein Mann, der sehr viel Glück im Leben
hatte«, sagt er, dann sieht er sich um. Wankt. »Ich habe Durst«, wendet er
sich an die junge Frau.
jeff_l
(Jeff_L)
#1