Im selben Moment klingelte sein Handy.
Es wurde ein langes Telefonat, von dem Ilaria nicht viel verstand, außer
dass es Probleme mit den Terminen am nächsten Tag gab und der Drehplan
geändert werden musste. Emilio fuhr mit einer Hand am Steuer weiter,
während er sich das Telefon ans Ohr hielt. Als er auflegte, standen sie schon
vor der Messehalle, einem Industriegebäude. Er parkte. In den wenigen
Sekunden, die er zum Aussteigen brauchte, wurde Ilaria Zeugin seiner
Verwandlung. Im Wagen war Emilio noch einer ihrer drei Brüder gewesen;
hier draußen auf dem Bürgersteig war er ein Star des italienischen
Unterhaltungsfernsehens.
Sobald man ihn in den Hallen der Motor-Show erkannt hatte, umwogte
ihn eine immer dichter werdende bunte Menschenmenge. Der eine wünschte
sich ein Autogramm auf den Notizblock, ein anderer auf die Eintrittskarte
oder den Handrücken. Eine Frau um die fünfzig, die ein eng anliegendes
Kleid mit kleinen pinken Kätzchen trug, das selbst für eine Fünfzehnjährige
zu kindisch gewesen wäre, versetzte Ilaria einen Ellbogenhaken ins Gesicht,
um an ihn heranzukommen. »Emilio! Emilio!«, erklang es aus der Menge.
Und er drehte sich um, dankte den Rufern mit einem strahlenden Lächeln,
das den Menschen sagte: ›Ich bin der Erwählte und der, der mich ruft, ein
Niemand, und doch bitte ich zu bemerken, wie ich ihm mein höchst
menschliches Wohlwollen schenke.‹
Ilaria wartete als Schutz vor weiteren Stößen etwas abseits. Sie
beobachtete den Bruder. Er stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und
hörte trotzdem nie auf, das Gedränge zu scannen und noch den kleinsten
Fitzel Bewunderung abzuschöpfen. ›Er kriegt nie genug davon‹, dachte Ilaria.
›Wird niemals satt. Sein Hunger ist unstillbar.‹ Wieder spürte sie einen
melancholischen Stich. Das alles hier kam ihr so traurig vor. Der Mann
mittleren Alters, der schwitzend in seinen Synthetikkleidern ein Motorrad
bewunderte, das vielleicht teurer war als die Wohnung, in der er lebte. Die
Dunkelhaarige mit den langen nackten Beinen und dem von sich gestreckten
Hintern, die einen Analverkehr auf einem Motorrad nachahmte, das
mindestens achtmal so schwer war wie sie. Die Blonde, die im pinkfarbenen
Minitop auf einem Moto-Cross-Rad gelangweilt ihren Ausschnitt in die
Objektive der Fotografen hielt.
Eine der jungen Frauen kam ihr bekannt vor. Schnell erinnerte sich Ilaria
auch, woher. Es war das junge Mädchen in dem Magdkostüm, das auf der
jeff_l
(Jeff_L)
#1