Alle ausser mir

Nur Ilaria war es vor einigen Monaten aufgefallen, als er sie einmal auf
dem Esquilin besucht hatte. Wie immer hatte Attilio beim Verabschieden die
Hände in die Hosentaschen gesteckt, dort aber nur ein paar Zehntausend-
Lire-Scheine gefunden.
»Gib mir einen Stift, dann stelle ich dir einen Scheck aus«, hatte er zu ihr
gesagt.
»Danke, Papà, das ist nicht nötig«, hatte sie höflich, aber bestimmt
erwidert. »Mein Gehalt reicht voll und ganz.«
Doch Attilio hatte sein Scheckheft aus der Brusttasche gezogen. »Aber
warte noch mit dem Einlösen. Als Datum schreibe ich den nächsten Monat
rein.«
Ilaria verzog angewidert das Gesicht und sagte: »Bah, wie eklig!«
Ihr Vater hatte sie ungläubig und beleidigt angeschaut. Mit
zusammengekniffenen Augen schüttelte er langsam den Kopf. »Das musst du
mir erklären. Was genau findest du eklig? Das Geld deines Vaters oder einen
vordatierten Scheck?« Mit diesem verächtlichen, schneidenden Tonfall des
überlegenen italienischen Mannes hatte er seit jeher seine Frauen, Geliebten
und Konkubinen in die Schranken verwiesen, wenn sie ihn aus irgendeinem
Grund nervten. Seiner Tochter gegenüber hatte er ihn allerdings noch nie
verwendet.
Ilaria war daher mehr verblüfft als gekränkt. Sie brauchte kurz, um das
Missverständnis zu begreifen. »Aber nein! Was glaubst du denn?« Sie wies
auf das Fenster, durch das ein durchdringender Geruch nach heißem Fett
hereinwehte. »Ich meine diesen schrecklichen Gestank.«
»Was für ein Gestank?«, fragte Attilio verwirrt.
»Riechst du das denn nicht? Altes Frittenfett.« Ilaria schloss mit
gerümpfter Nase das Fenster. »Die braten hier zu jeder Tageszeit ...«
Der Gesichtsausdruck ihres Vaters verwandelte sich in hilflose
Verblüffung, was seine Tochter in den Folgejahren immer häufiger an ihm
sehen sollte.
»Welches Fett denn?«
So stellte Ilaria fest, dass Attilio Profeti seinen Geruchssinn verloren hatte
wie die meisten alten Leute. Nicht zum ersten Mal wurde damit seine
aufmerksame Tochter zur Hüterin eines seiner Geheimnisse.
Von dem Anita nichts wusste. Auch weil seine Frau mit Attilios
zunehmendem Alter immer weniger wahrhaben wollte, dass zwischen ihren