so echten Kilos in bar, die Konten in der Schweiz: All das hatte Edoardo
Casati niemals mit ihm geteilt.
Doch er hatte ihn gewarnt, das musste er ihm zugestehen. Attilio Profeti
schloss die Augen bei der Erinnerung an das, was Casati ihm vor fast vierzig
Jahren gesagt hatte – »Vertrauen gibt es nur zwischen Gleichrangigen, und
das sind wir beide nicht.« Nun erst verstand er: Für Menschen wie Casati,
durch dessen Adern päpstliches Blut floss, würde er für immer der Sohn eines
Eisenbahners bleiben.
Im Pressesaal hatte sich ein ausländischer Journalist erhoben und wollte
wissen, warum Berlusconi so auf dem Kommunismus herumreite. War es in
Italien nicht der Faschismus gewesen, der am meisten Schaden und
Zerstörung angerichtet hatte? Ein plötzlicher Zorn legte sich wie eine
Mondfinsternis dunkel über das Gesicht des reichsten Mannes Italiens. »Aber
das ist doch alles fünfzig Jahre her! Dass Sie sich nicht schämen, so etwas zu
sagen!« Der Präsidentschaftskandidat stand auf und sein strahlendes Lächeln
war erloschen. »Sie sind böswillig! Schämen Sie sich!«
Die unsichtbare Frau war aus der Küche aufgetaucht. Sie hatte das runde
Gesicht der Slawinnen, feine Haare und einen abwesenden Blick. Dünne
Beine und beleibt um den Oberkörper, typisch für Bluthochdruck. Sie hieß
Małgorzata, aber Anita sprach sie mit Maria an (»Nur weil es einfacher ist,
nicht bös gemeint!«), Attilio gar nicht. Sie hatte zwei Kinder, eins davon mit
Downsyndrom, die bei ihrer Mutter in Łódź lebten. Sie hatte Maschinenbau
studiert und liebte Gedichte. Was in dieser Wohnung niemand wusste. Und
wonach sie auch nie jemand fragte.
Während Berlusconi weiter »Sie sollten sich schämen! Schämen sollten
Sie sich!« rief, als wolle er nie mehr aufhören, zeigte Małgorzata auf die
Bratenscheiben, die langsam auf dem Teller ihres Arbeitgebers vertrockneten.
»Kann ich abräumen, Dottore?«
Attilio schien sie nicht zu hören und starrte mit steinerner Miene auf den
Fernseher. Anita wandte sich erstaunt zu ihrem Mann um, der ganz
versunken war in seiner tiefempfundenen Scham, nichts mehr wert zu sein.
Dies war der Moment, in dem Attilio Profeti alt wurde.
Einer der jüngsten Kandidaten der von Silvio Berlusconi neu gegründeten
Mitte-Rechts-Partei war Piero Casati, Edoardos Sohn. Er war gerade dreißig
geworden, wenige Wochen vor Ilaria. Bei einer der häufigen Gelegenheiten,
in denen er ihr seine Gründe für die Entscheidung zu erklären versuchte,
jeff_l
(Jeff_L)
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