unterschiedlichen Idealen gegeneinander gekämpft, die aber beiderseits den
gleichen Respekt verdienten. Man müsse heute die Toten auf beiden Seiten
gleichermaßen beweinen, ohne zu sehr darauf zu pochen, wer im Recht und
wer im Unrecht gewesen sei. Letztlich waren doch alle Opfer – so seine
These. Schade nur, dass eine Splittergruppe seiner Partei, der der politische
Zweck der Sache entgangen war, in Schwarzhemden und Fez erschien und
den römischen Gruß entrichtete, um anschließend das Marschlied der
faschistischen Milizionäre aus Kriegszeiten, Faccetta nera, anzustimmen.
Die alten Begriffe, die plötzlich wieder hoffähig wurden, verbreiteten sich
auch über die Grenzen der Politik hinaus. Emilio hatte seine erste Hauptrolle
in der neuen Soap »Auf den heiligen Hügeln«. Ilaria sah sich die erste Folge
an, weil sie wissen wollte, warum die Autoren ausgerechnet diesen Titel
gewählt hatten. Was hatte der verwickelte Plot stereotyper Familien in einem
stereotypen römischen Mietshaus voll harmloser Betrügereien und Witzeleien
mit der berühmten Rede Mussolinis zu tun, die er am Tag nach dem Sieg in
Äthiopien gehalten hatte? Welche Verbindung gab es zwischen den Worten
des Duce an die applaudierende Menge unter dem Balkon der Piazza
Venezia – »So hebt eure Feldzeichen in die Höhe, Legionäre, das Eisen und
die Herzen, um die Rückkehr des Kaisertums auf die heiligen Hügel Roms
nach fünfzehn Jahrhunderten zu begrüßen!« – und diesem eher
anspruchslosen Unterhaltungsfernsehen zur besten Sendezeit? Nichts, sagte
sich Ilaria. Absolut nichts. Niemand, weder Produzenten noch Regisseure
noch Drehbuchautoren dürften sich der eindeutig faschistischen Herkunft des
Ausdrucks bewusst gewesen sein; oder sie hatten sich einfach nichts Böses
dabei gedacht.
Als sie Emilio darauf hinwies, verdrehte er theatralisch wie immer die
Augen. »Ach Gottchen, Ilaria. Ich glaube es nicht. Es ist nur der Titel einer
fiktiven Serie.«
»Es ist nur ein Mussolini-Zitat.«
»Das ist doch scheißegal! Ich kann dir versichern, dass diese Dinge keine
Sau interessieren. Außer dir.«
»Du hast Recht. In diesem Land zählen Worte nichts. Die Geschichte
zählt nichts mehr. Alles eine einzige unterschiedslose Soße, Partisanen,
Faschisten, alles gleich, alle Opfer, niemand ist verantwortlich, und auch
Mussolini war im Grunde nicht böse, er hat ja auch viele gute Dinge bewirkt.
jeff_l
(Jeff_L)
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