schmetterling

(Martin Jones) #1

Highway vollzieht eine Kurve und führt vorbei an windschiefen Scheunen
aus dem neunzehnten Jahrhundert, die am Ende unbefestigter Zufahrten
liegen wie Überbleibsel einer Filmkulisse. Das Hinterland in diesem Teil des
Valleys ist durchzogen von labyrinthisch verflochtenen Wasserläufen und
stillen, kleinen Seen, die Schilfgras und Röhricht verdoppeln und einen
zweiten Himmel ins Erdreich zaubern. Kraniche, Graureiher und diverse
Entenarten leben im Sumpf und mehr Bachforellen als irgendwo sonst in
Kalifornien. Beim Umherwandern stößt man auf wild in die Landschaft
gewürfelte Felsbrocken, Matten dornigen Buschwerks und Gesellschaften
blasiert umherstelzender Wildgänse. Ein Landstrich, satt an Eindrücken; nur
eine hochmoderne Forschungsanlage sieht man nirgendwo.
Ruth beobachtet einen Bussard, der wie festgenagelt über einem Feld steht.
»Eines ist jedenfalls bemerkenswert. Pilar Guzmáns Tod beschäftigt den CEO
persönlich. Dann muss sie ein ziemlich hell leuchtendes Licht gewesen sein.«
Vor ihnen taucht das Ortsschild von Loyalton auf.
»Vielleicht hat sie ja ein bisschen zu hell geleuchtet«, sagt Luther.
»Schön gesagt. Und auf was?«
»Keine Ahnung. Auf etwas, das lieber im Dunkeln bleibt.«


Während Downieville mit seinen Saloons und Goldgräberhäuschen den
Wilden Westen wieder aufscheinen lässt, strahlt Loyalton die ganze gepflegte
Schläfrigkeit ländlicher Wohngebiete aus, von der Höhepunktlosigkeit der
Architektur bis hin zur Straßenanordnung. Praktisch nicht vorstellbar, dass
die Achthundert-Seelen-Gemeinde Ende des neunzehnten Jahrhunderts
Kaliforniens zweitgrößte Stadt war, eine der bestentwickelten
landwirtschaftlichen Regionen des Bundesstaates und ein Eldorado des
Holzhandels. Heute zieht man hier Kinder groß, tauscht Kuchenrezepte mit
den Nachbarn, und die samstäglichen Flohmärkte stellen Brennpunkte des
gesellschaftlichen Lebens dar wie anderswo Rockkonzerte. Es gibt eine
renommierte High School, ein zeitgeschichtliches Museum und für

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