schmetterling

(Martin Jones) #1

sagt, was überfällig war: »Das da hinten ist Beckwourth Peak. Das sind die
Berge von Plumas.«
Aufgenommen von Süden her. Natürlich.
»Die Farm.« Luther bläst ein Lachen durch die Nase. »Na klar! Wir sind
auf der Farm.«
»Wo vergangene Nacht niemand war«, ergänzt Ruth. »Laut van Dyke.«
»Doch. Der Wachdienst.«
»Okay, nach Wachdienst sieht’s aus. Die sind so was von wachsam, als
rechneten sie mit dem Eintreffen Godzillas.«
»Tamy, genug davon. Zeig uns das letzte Video.«
Das, so hofft er im Stillen, die Herkunft des Ladeguts, vielleicht dessen
Beschaffenheit enthüllen wird, doch fürs Erste sehen sie nur eine Brücke.
Zweimal dasselbe Bild.
Eine frei schwebende, geländerlose Brücke, betrachtet vom Punkt ihres
Entspringens. Oder ihres Endes, je nach Definition. Tragende Elemente im
Vordergrund finden ihre Entsprechung dort, wo sie abschließt, das
Kameraauge blickt zentriert und leicht erhöht über ihren schnurgeraden
Verlauf hinweg und lässt so ziemlich jede Frage nach Länge, Breite und
Substanz wie nach der Beschaffenheit des Raums, den sie durchmisst,
unbeantwortet. Luther glaubt ein Changieren zu sehen, ineinander fließende
Zustände solch vager Natur, dass kaum von Schatten oder Aufhellungen die
Rede sein kann. Ein Kontinuum bar aller Winkel und Wände, ohne Boden
und Decke. Worin immer die Konstruktion schwebt, lässt keinerlei definierte
Formen erkennen, auch Leuchtkörper sucht man vergebens. Einzig die
torartige Aussparung und flankierende Türen dort, wo sie wie abgeschnitten
endet, lassen auf eine stoffliche Begrenzung schließen.
»Warum sehen wir die Szene doppelt?«, wundert sich Ruth.
»Tun wir nicht. Der Stahlträger da.« Links gleichmäßig hell, rechts
schlierig wie von einer Materialverfärbung. Natürlich! Sie überschauen die
Brücke aus gegenüberliegenden Perspektiven; ein spiegelidentisches Gebilde

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