schmetterling

(Martin Jones) #1

amorphe Formen, bezugslos wie der makroskopierte Ausschnitt eines
Schwarzweißfotos, und dennoch ist, was hinter der Scheibe liegt, nicht
vollkommen fremdartig. Es weckt Assoziationen in gleichem Maße, wie es
sich der Zuordnung entzieht. Luther sieht das Vertraute im Unvertrauten,
ähnlich der Welt zellulärer Strukturen, doch was sieht er wirklich? Was kann
er sehen auf die Distanz? Der Kasten ist an die fünfzig Meter entfernt, kaum
sind seine schwarzen Panzer auseinander geglitten, driften sie auch schon
wieder zusammen und entziehen das Schattenspiel seinen Blicken. Und
wahrscheinlich wäre alles halb so verstörend, fräße sich nicht ein letzter
Eindruck in ihm fest, bevor das Licht endgültig versiegt: dass die Schatten
sich auf kaum wahrnehmbare, gleichermaßen hypnotische wie abstoßende
Weise bewegt haben – ein Schaudern erzeugendes Dehnen und Tasten,
schläfrig und hungrig, als sei etwas im Tank erwacht und dränge nun nach
draußen.
In eine Welt, in die es nicht gehört.


Zurück auf der Terrasse, hat sich das Café belebt. Darlene löst sich aus einem
Gespräch mit Gästen und kommt zu ihnen herüber.
»Und? Fall gelöst?«
»Wahnsinn«, wispert Tamy, noch völlig in Bann geschlagen.
»Diese Brücke –« Ruth zieht ihre Ray Ban auf. Die Abendsonne zeichnet
ihre Züge weicher und bringt das California Girl zum Leuchten, das an ihr
verloren gegangen ist. »Ich sag euch, die mündet in den Lastenaufzug! Sie
durchzieht diesen – diesen – Mann, wie soll man das nennen –«
»Raum«, hilft Luther aus.
»Raum, der aussieht wie ein Vorgeschmack auf die scheiß Ewigkeit, ich
meine –« Ihre Hände fischen nach Worten. »Kein Problem, Hof und Hangar
zu finden, aber wo ist die verfluchte Brücke?«
»Ebenda. Auf der Farm.«
»Ganz tief im Erdinnern«, wispert Tamy andachtsvoll.

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