schmetterling

(Martin Jones) #1

»Erdinnern? Wovon redet ihr?« Darlene schaut von einem zum anderen.
»Klingt wie eine dieser Folgen von Stranger Things.«
Darlene, die es wissen muss. So wie sie Serien konsumiert, sollte in den
Foyers von Amazon und Netflix längst ihr Denkmal prangen, außerdem ist
sie mit einem pensionierten Deputy Sheriff liiert, und ihr Sohn blickt auf ein
halbes Leben der Verbrechensbekämpfung zurück. Niemand nimmt es an
Empathie, Gottesfurcht und der Hervorbringung klangvoller Lamenti über die
Schlechtigkeit der Welt mit Darlene Opoku auf. Zugleich steht ihre Sorge um
Tamys Unschuld in grellem Kontrast zu ihrem Faible für die abgründigsten
Drehbücher.
Luther schaut auf die grüngoldenen Berge des Westens. Irgendwo dahinter
liegt Downieville. Er spürt eine diffuse Sehnsucht. Ruth hat recht, es wird
niemals enden. Welle folgt auf Welle. Die Sonne glüht auf seinem Gesicht
und spendet vergänglichen Trost. Mittlerweile steht sie tief genug, dass man
ohne zu blinzeln hineinschauen kann, doch er sieht immer noch die Brücke
und die schwarzen Kästen.
Wandernde Schatten, wanderndes Licht –
»Eine Kugel«, sagt er.
»Kugel?«, echot Ruth.
Tamy lässt sich gegen den Türrahmen fallen und rollt gelangweilt die
Augen. »Na, das war doch klar.«
»Was war klar, Hermine?«
»Dass der Raum kugelförmig ist. Deine scheiß Ewigkeit!«
»Hey.« Luther boxt sie sacht gegen den Oberarm. »Ausdruck.«
»Sie hat scheiß Ewigkeit gesagt«, verteidigt sich Tamy. »Ich hab’s nur
wiederholt.«
Ruth schaut drein, als sei ihr plötzlich klar geworden, dass auch der
Himmel über Sierra auf das Innere einer Kugel gemalt sein könnte. Dann
schüttelt sie den Kopf. »Nein, da war noch was. Etwas – in Bewegung.«

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