schmetterling

(Martin Jones) #1

Luther schließt sie in die Arme. »Mehr ist heute sowieso nicht drin. Die
Spurensicherung muss bis morgen warten. In zwei Stunden bin ich da raus.
Ruth, du hast den Stick?«
»Willst du ihn mitnehmen?«
Er überlegt. »Nein, behalt ihn. Besser so.«
»Ich treff dich dann im St. Charles Place.«
Auf einen späten Drink und noch spätere obendrauf. Harte, honiggelbe
Kurze, die sie zu sich nehmen wird – Luther selbst trinkt selten mehr als ein
Pint. Der Saloon schließt nicht vor zwei, Ruth birst vor Empathie, allemal
besser, als in Gesellschaft Toter zu Hause rumzuhängen.
»Geht klar. Ich ruf dich an, sobald ich zurück bin.«


Wieder allein mit sich.
Ohne Hast folgt er dem Zaun in nördliche Richtung. Nach einigen Hundert
Metern knickt die Barriere ab und setzt sich in unpassierbarem Gestrüpp fort,
während der Pfad aus dem Wäldchen heraus und in großem Bogen darum
herum führt. Von hier kann Luther bis zu den Farmen von Beckwourth
schauen, kleine weiße Gestirne der Zivilisation. Das flache Grasland saugt
die letzten Sonnenstrahlen ein, glüht wie schwelendes Holz, und auf den
Gipfeln leuchtet die Verheißung unermesslichen Reichtums – gewaltige
Nuggets im Abendlicht, so wie sie den Goldgräbern damals erschienen sein
müssen. Eine Welt, getränkt von Blut und billigem Whisky, berückend
schön.
Alle Last wird von seinen Schultern genommen.
Ein Raum tut sich auf. Bloße Präsenz, strahlend und rein, die sich gleich
wieder verschleiert. Kurz hat Luther die Gnade der Vergebung gespürt, doch
das nicht Fassbare festhalten zu wollen, lässt es unter den Fingern zerrinnen.
Er wendet sich ab und ruft van Dyke auf dem Handy an. »Wir verlegen den
Treffpunkt. Sie können mich an der Haustür in Empfang nehmen.«
»Wo sind Sie, Sheriff?« Gedämpftes Wummern.

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