schmetterling

(Martin Jones) #1

Spuren einer Kontamination. Hat er etwas übersehen? Besser gesagt, etwas
gesehen, auf das er hätte reagieren sollen, statt zu warten, bis – was? Seit er
und van Dyke auf der Terrasse standen, rumort es in ihm. Die Schleuse
schwingt auf, und im Hinaustreten denkt er: Warten bis zur kollektiven
Befragung. Genau! Ich hätte nicht warten sollen. Sonnenstrahlen ergründet
man nicht nach Anbruch der Dämmerung, ebenso wenig wie ein Lächeln,
indem man Stunden später fragt, was es zu bedeuten hatte – und das Lächeln
dieser Äthiopierin erschien unter den gegebenen Umständen eigentlich
deplatziert, oder? So vertraut, wie sie mit Nordvisk tat, muss sie von Pilar
Guzmáns Tod gewusst haben, grinst man da den Sheriff an? Einen
Wildfremden? Was wollte sie, verschlüsselte sie, versuchte sie mitzuteilen?
Mein Fehler! Ich hätte sofort mit ihr reden sollen, anstatt –
Hätte, und schon gleiten die Fahrstuhltüren auseinander.
Hätte gern mit ihr gesprochen.
Auch, weil etwas Lockendes in ihrem Blick lag; weniger sinnliche
Verführung als das Versprechen allumfassender Einsicht. Du wirst schon
verstehen, sagte der Blick. Ein flüchtiges Angebot, das im Moment ihrer
Abkehr verfallen schien, eine verpasste Gelegenheit. Aus der Hand gegeben
wie so viele Chancen, und spätestens jetzt muss Luther sich eingestehen, dass
seine Dämonen ihn wieder im Schwitzkasten haben. Denn natürlich geht es
hier nicht nur um die Mahagonifrau. Es geht darum, zu wenig miteinander
gesprochen zu haben, als noch Zeit gewesen wäre, vielleicht nie das Richtige
gesagt zu haben –
Schweiß tritt auf seine Oberlippe. Panik schnürt ihm die Luft ab,
Einsamkeit und Verlustangst krampfen sein Herz zusammen. Elektrisiert vom
Impuls, zwischen den sich schließenden Türen hinauszuspringen, tastet er
nach der Fahrstuhlwand und fühlt die Attacke kommen. Mit Macht flutet sie
heran und reißt ihn in eine entlegene Vergangenheit, noch ferner als jener
verhängnisvolle Tag, an den Tamy keine Erinnerung mehr hat. In Gedanken
rennt er durch ein Drogenlabor, das lichterloh brennt, weil einer der Gangster

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