schmetterling

(Martin Jones) #1

wühlt der Wind, eine Formation Gänse quert Wolkenstreifen, dunkel vor
konturlosem Weiß, die Sonne ausgelöscht. Einige Uniformierte schauen bei
Luthers Anblick auf, die Äthiopierin fehlt.
»Kein Aufhebens«, sagt er leise zu van Dyke. »Erst mal nur das Video.«
Der Manager dreht sich zu einer der Bildwände. »Ares, zeig uns das
Überwachungsvideo Hangar innen von gestern Abend zehn Uhr dreißig, alle
Kameras im Split.«
Fenster verschieben sich, ein neuer Ausschnitt zeigt die nächtliche Halle in
vier Einstellungen, beleuchtet und leer. Roboter stehen untätig herum, der
Lastenaufzug gibt den Blick frei auf nicht beladene Pritschenwagen. Es
herrscht jene eigenartige Belebtheit des Unbelebten, wie Luther sie schon im
Kontrollraum wahrgenommen hat, beim Blick in die desperaten Innenwelten
der Maschinen. Er studiert die Kameraperspektiven. Ziemlich ähnlich denen
Pilars, beinahe identisch, dann wird ihm klar: Sie sind identisch! Pilar hat das
firmeneigene Überwachungssystem gekapert. Im Schnelldurchlauf verstreicht
eine halbe Stunde, ohne dass sich etwas ereignet, womit Pilars Videos
entweder falsch datiert sind – oder der sogenannte Sicherheitsdienst betrügt
seine Arbeitgeber nach Strich und Faden.
»Ich sage ja, es ist nichts drauf.« Van Dyke zuckt die Achseln. »Aber Sie
können gerne das ganze Material sichten.«
Luther nagt an seiner Unterlippe.
Klar doch. Wir können es sichten, bis wir schwarz werden. Van Dyke hat
recht. Und auch Tamy hat recht. Die digitale Welt ist ihr mindestens so
vertraut wie ihre heißgeliebten Vogelschutzgebiete rund um die Steel Bridge.
Wenn sie also von Erstellungsdaten spricht, meint sie keine
Bearbeitungsdaten. Pilar Guzmáns Aufnahmen stammen ohne jeden Zweifel
von vergangener Nacht – und das hier ist eine verdammte Fälschung.
Er dreht den Kopf und sieht einen Mann sich erheben und zu ihnen
herüberkommen.

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