schmetterling

(Martin Jones) #1

Abnorme, das hinter der Tür liegt, sodass er um ein Haar vergisst, was ihn
überhaupt hergeführt hat.
Vor ihm erstreckt sich die Brücke.
Er steht an ihrem äußeren Rand. Zu seiner Rechten klafft die Höhle des
Lastenaufzugs, leer, was ihn auf unbestimmbare Weise noch bedrohlicher
erscheinen lässt.
Rodriguez rennt über die Brücke.
Seine Stiefel trommeln den Rhythmus der Flucht, ohne das geringste
Geräusch zu erzeugen. Überhaupt scheint der Raum, der die Konstruktion
trägt oder in dem sie sich aller Logik zum Hohn selbst trägt, keine typisch
klanggebenden Eigenschaften aufzuweisen; ein Ambiente so sinnlich wie
Mathematik, in dem der mächtige Puls zwar dröhnt und schwingt wie von
titanischen Glocken, zugleich aber aus unendlicher Ferne heranzuwehen
scheint. Auf den Videos war Luther die Brücke exotischer vorgekommen,
jetzt – in ihrer banalen Zweckdienlichkeit – wirkt sie wie ein beliebiges Stück
Fahrbahn, gefurcht von Schienensträngen, auch wenn ihr Belag nicht
asphaltartig, sondern metallener Natur zu sein scheint und ein seidiges
Schimmern emittiert, als habe jemand Goldstaub daraufgeblasen. Völlig plan
schwebt sie da, ohne den Schutz eines Geländers, an den Kopfseiten Tore,
Türen und stahlseilartige Aufhängungen – bloß ist da nichts, worin man Seile
hätte verankern und Tore aussparen können, keine solide Wand, überhaupt
keine Wand.
Und doch ist da – etwas.
Vage deutet sich eine Begrenzung an, mehr die Idee einer Begrenzung.
Eigenartigerweise hatte Tamy keinerlei Mühe, sie zu sehen. Und natürlich
muss die Sphäre begrenzt sein, schon weil sie eingebettet im Untergrund
Sierras liegt. Doch nichts könnte Luthers Empfinden in diesen Sekunden
passender beschreiben als Ruths Ausbruch von vorhin – Das Vorzimmer zur
scheiß Ewigkeit! –, da, was im einen Moment anmutet wie die monochrome
Innenfläche einer Kugel, im nächsten alles Stoffliche verliert, sich vielmehr

Free download pdf