schmetterling

(Martin Jones) #1

die Interieurs in wohnlich warmes Licht getaucht. Anders als im Untergrund
versichert man sich hier der anheimelnden Wirkung imposanter
Kronleuchter, nur dass deren Stunde noch nicht gekommen sein dürfte, doch
belehrt ihn ein Blick aus den Sprossenfenstern, dass draußen tiefste Finsternis
aufgezogen ist, in der Halos treiben wie lumineszierende Tiefseewesen:
Außenleuchten, schraffiert von Regen. Auch der Salon, in dem er mit Hugo
van Dyke und Elmar Nordvisk gestanden hat, hüllt sich in Dunkel. Ein
nächtlicher Wind trägt die Ausdünstungen durchweichter Natur durch die
offen stehenden Terrassentüren heran – und Luther fühlt ein vages Grauen.
Er ist es gewohnt, dass die Dinge nicht sind, wie sie scheinen. Eine ganz
andere Sache ist es, wenn sie nicht sind, wie sie unter allen Umständen sein
müssten. Mehr als eine dreiviertel Stunde hat er da unten keinesfalls
zugebracht, demzufolge ist es nicht mal acht Uhr. Was seine Armbanduhr
auch prompt bezeugt, nur trägt dies noch weniger zu seiner Entspannung bei.
Uhren können stehen bleiben – das Hereinbrechen der Nacht ist der
Himmelskörpermechanik unterworfen, und da draußen herrscht stockfinstere
Nacht!
In seiner Verwirrung entgeht ihm, wie sich die Körperspannung des
Wachmanns entlädt. Mit einem Satz entkommt er Richtung Salon, gellende
»Jaron, Jaron!«-Rufe ausstoßend. Luther flucht und rennt ihm hinterher, sieht
wie erwartet die Terrassentüren geöffnet und den Wachmann sich zwischen
den Silhouetten der Clubsessel hindurchwinden, springt ihm ins Kreuz und
reißt ihn zu Boden. Der andere knallt mit dem Schädel auf die Kante eines
Beistelltisches und rührt sich nicht mehr. Luther ertastet den Hinterkopf, kein
Blut. Legt zwei Finger an die Halsschlagader, fühlt den Puls – gleichmäßig,
gut. Steigt über den Bewusstlosen hinweg und tritt hinaus auf die Terrasse.
Nacht, winddurchtoste Nacht.
Mit urtümlicher Heftigkeit strömt der Regen herab. Das aufgebrachte
Rauschen des Waldes dringt herüber, düster und verlassen erstreckt sich die
Anlage bis zur Baumgrenze; der Zaun gespickt mit Scheinwerfern, die grell

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