schmetterling

(Martin Jones) #1

Elmar streifte Hugo mit einem weiteren Blick. Er mochte es nicht, Leuten
allzu lange in die Augen zu sehen, die Fokussierung auf die Innenwelt des
anderen riss ihn aus seiner Konzentration, außerdem waren Blicke wie
Lassos. Menschen zurrten einen damit fest. Jetzt aber begann ihn dieser
kleine, blasse Mann zu interessieren. »Was motiviert dich denn?«, fragte er.
»Das Unbekannte«, sagte van Dyke. »Es zieht mich an.«
»Was genau zieht dich an? Der letzte verbliebene Abenteuerspielplatz? Im
Unbekannten legt dir niemand Fesseln an – so was?«
»Ich will Dinge verstehen.«
»Wozu?«
»Um etwas bewirken zu können.«
»Ah. Also geht’s um Einflussnahme. Schön. Warum willst du Einfluss
nehmen? Was verschafft es dir, Einfluss zu nehmen?«
Van Dyke überlegte. »Mitunter Glück.«
»Und was ist Glück? Was ist das, dieses Hochgefühl? Warum schinden wir
uns derart, um es zu erlangen?«
»Dopamin?«
»Weckt die freudige Erwartung, belohnt zu werden. Aber was treibt uns
an? Was motiviert uns?«
»Sag du es mir.«
»Was wir begehren, Hugo! Das treibt uns an. Und was begehren wir?«
»Was wir jeden Tag sehen«, zitierte Hugo Hannibal Lecter.
»Ganz richtig. Die Möhre vor der Schnauze des Esels. Begierde ist der
Brennstoff unserer Phantasie, all unserer Passionen. Und wenn wir
schließlich erlangt haben, was wir begehren, schüttet unser Körper freudig
Opiate aus, Endorphine, Oxytocin.«
»Ein chemisches Belohnungssystem.«
»Siehst du? Wir sind auch Maschinen. Unser Gefühlshaushalt wird von
Neurotransmittern regiert, und Transmitter sollten wir im Netz nachbauen
können, um einer KI Neugier, Forschergeist und Glücksgefühle beizubringen.

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