schmetterling

(Martin Jones) #1

Dann reißt er sich los von dem Anblick, wirbelt herum und stürzt aus dem
Raum, aus dem Haus, auf die Straße.
Reifenquietschen bringt ihn zur Besinnung.
Ruth starrt ihn hinter dem Steuer ihres Streifenwagens an, zu Tode
erschrocken. Seine Hände liegen auf ihrer Kühlerhaube, der Stoßfänger
berührt seine Schienbeine. Viel hat nicht gefehlt, ihn über den Haufen zu
fahren.
»Bist du noch zu retten?«, fragt sie im Aussteigen. »Was rennst du denn
wie von Taranteln gestochen auf die Straße?«
Er weicht zurück. Dreht sich, geht einen Schritt auf sein Haus zu, ziellos in
entgegengesetzte Richtung. Sein Blick irrt über die Büsche am Wegesrand,
die verwitterte Steinmauer, klammert sich an die Einzelheiten seiner
vertrauten, entrissenen Welt. Spürt ihren kräftigen Griff an der Schulter.
»Luther! Was zum Teufel ist los mit dir?«
Sieht Ruth ins Gesicht und durch sie hindurch. Das Foto –
»Ist jemand in deinem Haus? Bedroht dich jemand? Rede mit mir,
verdammt.«
Es kann dieses Foto nicht geben. Kann es nicht geben. Kann es nicht.
»Okay, dann geh rein. Ich fahr den Wagen auf Seite.«
»Nein.« Er versucht, gegen den Druck auf seiner Brust anzuatmen. »Auf
gar keinen Fall.«
»Was soll das heißen, auf gar keinen Fall?«
»Ich geh nicht ins Haus.«
Zwischen Ruths Brauen tritt eine Falte der Ungeduld.
»Und warum nicht, bitte schön?«
Er senkt den Kopf, presst die Fingerknöchel gegen die Schläfen. Voller
Aromen ist dieser frühe Morgen. Er kann angeschimmeltes Holz und das
Moos auf den Ufersteinen wittern, den Duft von Lehm und laichenden
Fischen. Alles erfüllt ihn mit Wehmut, umso mehr, da er nicht zu sagen
wüsste, was genau ihn daran so sehr bedrückt. Vielleicht, weil es für ihn

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