schmetterling

(Martin Jones) #1

Es herrschte kein Einvernehmen.
Nach elf Jahren extremer Gezeitenwechsel war die Zerrüttung ihrer Ehe
unbestreitbar und nichts geblieben als ein Koffer voller Habseligkeiten, den
Jodie aus dem Haus in Downieville abzuholen gedachte. Ein Haus, das
rückblickend kaum mehr gewesen war als eine letzte Versuchsanordnung.
Damals, in seiner frugalen Ländlichkeit, stand es für den Neuanfang –
hübsch, ohne jeden Luxus, ein Ort, aus dem sich gemeinsam etwas machen
ließe oder an dem man gemeinsam durchdrehen würde. 2007, als sie Luther
in einer Notoperation die Kugel aus den Rippen holten, die ihn beinahe
getötet hätte, war er in ein künstlich herbeigeführtes Koma geglitten und
desorientiert in einem Krankenhausbett erwacht, an dessen Rand Jodie und
seine Tochter wie Tote saßen. Er erblickte sich selbst in den Laken, als
stünde er am Fuß dieses Bettes, sah den Mann darin sich aufbäumen, ohne
dass seine ausgestreckten, tastenden Hände die der anderen zu erreichen
vermochten. Es roch nach Desinfektionsmitteln und gestärkter Wäsche, nach
Linoleum und Birkenpollen, die der Wind durchs offene Fenster hereinblies,
überlagert von einer alles erstickenden Grundnote, dem Gestank des Verfalls.
Später erklärte man ihm, er habe vielleicht eine Nahtoderfahrung gehabt,
da sein tatsächliches Erwachen erst Stunden später erfolgte. Während die
leibhaftige Tamy voller Zugewandtheit war, ließ die leibhaftige Jodie ihn
eine Mischung aus Wut und Kälte spüren, die Luther zutiefst schockierte.
Auf sich selbst zurückgeworfen, angeschlossen an piepende Apparate,
durchspült von Infusionen und in seinem Verständnis Opfer der Umstände,
begann ihm Verschiedenes zu dämmern. Etwa, dass einem keinerlei
Anspruch auf das Mitleid seiner Familie zukam, wenn man diese selbst
jahrelang zum Opfer gemacht hatte. Klar musste einer den Job erledigen –
aber war es wirklich nötig gewesen, jeden lebensbedrohlichen Einsatz mit
seiner Anwesenheit zu krönen, was ihm zwar die Beförderung zum Chef der
Drogenermittlung und Leiter aller möglichen SWAT-Teams, Jodie hingegen
ständige Angst eintrug?

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