schmetterling

(Martin Jones) #1

»Da fällt mir ein, ich war noch gar nicht oben. Noch nicht in Tamys
Zimmer.«
»Schön.« Sie steht auf. »Lass uns nachschauen.«
Mit zitternden Fingern steckt er sein Handy wieder weg. Quält sich die
Treppe hinauf, Ruth auf den Fersen, wirft einen Blick ins Schlafzimmer. Das
Bett ordentlich bezogen, kaum Veränderungen. Im Bad Flacons und Tiegel
unbekannten Ursprungs zwischen seinen Pflegeutensilien. Er verzichtet auf
nähere Inaugenscheinnahme, zögert. Tamys Zimmer. Der Tabernakel einer
Heranwachsenden, in dem er nichts verloren hat, was aber, wenn ihre Spuren
getilgt wären und das Zimmer anderen Zwecken diente? Doch als er seine
Angst überwindet und eintritt, weist es eine noch höhere Verdichtung ihrer
Persönlichkeit auf, als er in Erinnerung hat, und sofort weiß er, warum. Weil
sie nicht in Loyalton wohnt. Nie dort gewohnt hat. Wann immer sie nach
Sierra kommt, ist sie bei ihm. Der Anblick zementiert die neue Wirklichkeit
und verschafft ihm einen Moment unvermuteten Glücks. Der Gedanke
kommt auf, was eigentlich so schlimm daran wäre, in einer Welt zu leben, in
der Jodie nicht tot ist.
So darfst du nicht denken! Das Abnormale zu akzeptieren, schafft keine
Normalität. Wenn du jetzt einknickst, bist du irgendjemandes williger Idiot.
Sei auf der Hut!
Es gibt keine zwei Wirklichkeiten, hält er sich entgegen. Vielleicht hat es
die andere nie gegeben.
Und was, wenn es nur die andere gibt?
Ich bin hier. Ich atme, wie kann es diese Welt nicht geben?
Drogen. Hast du schon mal über Drogen nachgedacht?
Ich bin auf einem Trip?
Warum nicht? Du hast die Sphäre nie verlassen. Sie haben dich dort unter
Drogen gesetzt. Du träumst immer noch. Der Drogentraum erklärt die
unwahrscheinlichsten Verwerfungen in Raum und Zeit. Alles ist möglich,
aber nichts ist wahr.

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