schmetterling

(Martin Jones) #1

so vernünftig, wie jemand nur wirken kann, der aller tragenden Säulen seines
Selbstverständnisses beraubt wurde. Immer noch rebelliert Ruths Verstand
gegen Zeitreisen und gar Pfusch an der Vergangenheit, doch dass ihr Boss die
Zukunft voraussagen kann, lässt sich kaum mehr bestreiten. Etwas wurde ihm
angetan, das ihn dazu befähigt, also gilt es herauszufinden, von wem, wie und
zu welchem Zweck.
Wie kann sie ihm helfen?
Ihre Gedanken wandern zurück zur vergangenen Nacht. Sie fährt an
seinem Haus vorbei. Was sieht sie? Licht. Ist da der Schatten eines Mannes
am Fenster? Nein. Sie muss ihren Sichtkreis erweitern, was sonst fällt ins
Auge? Es ist dunkel, die Straßenbeleuchtung dürftig, aber doch, da ist etwas.
Wenn man jahrelang dieselben Straßen entlangfährt, den immer selben
Menschen begegnet, ihre Vorgärten und Vorlieben kennt, ihre Hunde und
Autos, dann haftet die kleinste Veränderung in irgendeinem Winkel der
Wahrnehmung. Und etwas weicht ab in dieser Nacht. Etwas, das sie dort
bisher nicht gesehen hat, groß und bullig –
Ein Mercedes.
Gegenüber von Luthers Haus. Definitiv ein Mercedes, schwarz oder
anthrazit, gepflegt, teuer aussehend, mit Stoßfänger und Trittbrettern. Ganz
schöner Klotz. Niemandem hier gehört so ein Prunkstück. Gegen neun ist sie
das erste Mal durch die Pearl Street gefahren, aus entgegengesetzter Richtung
kommend, und da stand er eindeutig noch nicht dort. Und hat Luther nicht
erzählt, diese Mexikanerin, die für Nordvisk arbeitet, sei in einem Mercedes
G 65 AMG unterwegs gewesen?
Ist das ein G 65 AMG da vor seinem Haus?
Meg Danes wüsste es.
Ich könnte ihr den Wagen beschreiben, denkt Ruth, nicht frei von
Hintergedanken, aber besser wäre ein Foto – was sie auf eine Idee bringt.
Bassetts Gasoline Station, wenige Meilen östlich. Letztes Jahr wurde in die
einsam gelegene Tankstelle eingebrochen, es gab wiederholt Fälle von

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