schmetterling

(Martin Jones) #1

Über weite Strecken schmiegt sie sich an den Lauf des Yuba River und
weicht nur gelegentlich davon ab, als sei sie bemüht, aus der Luft ein
eigenständiges Bild abzugeben. An solchen Stellen entspringen unbefestigte
Pfade, verlaufen entlang des Flusses, enden meist an Fischerhütten und
Geräteschuppen oder führen zurück auf die Hauptstraße.
Was hat den Fahrer veranlasst, mit hoher Geschwindigkeit in einen
unbeleuchteten, abschüssigen Forstweg einzubiegen, der noch dazu einen
Abgrund säumt?
Und wo ist der Fahrer jetzt? Oder die Fahrerin?
Unten im Kieferngeäst?
War sie betrunken?
Oder zugedröhnt. Den Kopf vernebelt von Gras, das in Kalifornien Mitte
der Neunziger für medizinische Zwecke legalisiert wurde, mit dem Effekt,
dass plötzlich mächtig viele Leute gesundheitliche Probleme verspürten und
zum Arzt liefen. Entlang der Küste von Venice Beach bis San Francisco
tummeln sich Quacksalber zu Tausenden, die gegen Entrichtung von vierzig
Dollar klangvolle Malaisen diagnostizieren und die Bescheinigung ausstellen,
gegen deren Vorlage man in den Ausgabestellen bereitwillig versorgt wird.
Kalifornien schwelgt im Green Rush, als hätte es nie ein anderes Heilmittel
gegeben. So viel legales Cannabis ist im Umlauf, dass man verwirrt nach
dem zusätzlichen Planeten Ausschau hält, auf dem es angebaut wird, doch so
weit muss man gar nicht gucken. Es reicht ein Blick ins Hinterland. Ins
Central Valley, in die Nationalparks, in die Provinzen der Sierra Nevada, wo
dem legalen Handel durch illegalen Anbau in großem Stil auf die Sprünge
geholfen wird. Auch damit müssen sie sich hier herumschlagen: neuneinhalb
Gesetzeshüter gegen den langen Arm des organisierten Drogenhandels.
Weder die Typen von der DEA noch das FBI reißen sich darum, bei jedem
Fall illegalen Anbaus gleich zu Hilfe zu eilen, solange nicht zweifelsfrei
bewaffnete Banden am Werk sind. Das Problem mit der Zweifelsfreiheit ist,
dass sie oft erst durch ein Loch in der Stirn offenkundig wird.

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