schmetterling

(Martin Jones) #1

Luther hockt sich neben Ruth, die aus immer neuen Perspektiven Gebüsch
und Boden fotografiert. Seit ihrer Ankunft hat sie die Handycam nicht aus der
Hand gelegt.
»Kampfspuren?«, fragt er.
»Schwer zu sagen.« Sie wischt sich mit dem Unterarm über die Nase. »Bei
einem Kampf wäre der Untergrund stärker aufgewühlt. Die hier dürften von
unserem gefallenen Engel stammen.«
Unterhalb der lädierten Zweige ist der Boden furchig aufgerissen. Spuren
eines Menschen, der so schnell in die Buschbarriere gelaufen ist, dass er sie
durchbrochen hat.
»Dann hätten wir noch ihn.«
Ein grobes Muster ist in eine der Furchen gedrückt. Outdoor-Profil,
Männerschuhgröße. Jedes Detail hat sich im feuchten Boden konturscharf
erhalten. Ein Prachtexemplar von Abdruck, die Sorte, bei der Spurensicherer
in Champagner baden.
»Sieht aus, als hätte er einfach dagestanden«, sagt Luther.
»Und runtergeglotzt, ja.«
»Seine Spur liegt über ihrer. Sie war vor ihm an der Kante.«
»Nicht unbedingt. Er kann auf sie gewartet haben.«
»Und dann?«
»Hat er ihr Flugstunden gegeben.« Sie fotografiert das Stiefelprofil. »Ich
meine, dabei könnte er in ihre Abdrücke gelatscht sein, oder?«
Luther kaut an seiner Wange.
»Das ergibt wenig Sinn, Ruth. Wenn du ordentlich Tempo draufhast, teilst
du die Hecke wie das Rote Meer, aber jemanden hindurchstoßen? Das wäre
in Kampf ausgeartet. Und wie du selber sagst –«
»Kein Kampf.«
»Außerdem, so hoch sind die Büsche nicht.«
»Höhe liegt im Auge des Betrachters.« Sie steht auf und klopft sich den
Dreck von den Latexhandschuhen. »Du bist eins neunzig, Luther.«

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