schmetterling

(Martin Jones) #1

Ruth sieht sie kommen.
Sie hat ihr Fahrzeug hinter der Biegung geparkt, das letzte Stück bei
ausgeschaltetem Motor rollen lassen und auf das Überraschungsmoment
spekuliert. Mit gewünschtem Erfolg. Die hochgewachsene Schwarze hat von
Luther abgelassen und die Flucht ergriffen. Im Zielfernrohr konnte Ruth den
Treffer deutlich sehen, doch allem Anschein nach trägt die Frau eine
schusssichere Weste.
»Bist ja hart im Nehmen«, murmelt sie.
Selbst gepanzert gehen die meisten erst mal zu Boden und bleiben liegen.
Schock und Prellung wirken nach. Die hier sitzt schon wieder hinterm Steuer.
Ruth postiert sich breitbeinig auf der Fahrbahn, nimmt das Gewehr hoch und
den heranrasenden Geländewagen ins Visier. Zielt mit ruhiger Hand und
ruhigem Puls. Augenblicklich besteht kein Grund mehr, der Frau ernsthaften
Schaden zuzufügen, wohl aber, sie dingfest zu machen. Sie hält auf den
rechten Vorderreifen und zieht den Abzug durch.
Keinerlei Wirkung.
Schießt erneut. Der Mercedes schlingert wild in die Kurve, pflügt durch
die Randbegrünung, Steine und Erdklumpen aufwirbelnd, hält auf sie zu. Mit
der Distanz schrumpfen Ruths Handlungsmöglichkeiten rasch in sich
zusammen.
»Na schön, wenn du es so willst.«
Verlagert den Fokus auf die Fahrerin. Platziert das Fadenkreuz auf ihrer
Schulter. Schuss. Die Kugel prallt ab. Nimmt die Waffe runter. Keine hundert
Meter mehr. Keine fünfzig, und die Kiste wird sekündlich schneller. Rennt zu
ihrem Fahrzeug, springt hinein, wirft das Gewehr auf den Beifahrersitz,
startet. So schnell wirst du mich nicht los, denkt sie, während der Koloss an
ihr vorbeischießt, und sieht ihn zu ihrer Verblüffung eine Vollbremsung
hinlegen.
Was soll das jetzt?

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