schmetterling

(Martin Jones) #1

»Der Schuh gehört zu keinem kleinen Mann.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Na, komm schon. Wenn ich versuchen würde, dich da runterzubefördern,
was täte ich?«
»Es wäre jedenfalls das Letzte, was du tätest.«
Ich würde dich darüber hinwegwerfen, denkt er.
Ruth checkt den Batteriestand der Handycam. Zurück im Licht, bringt die
Sonne ihre Haarspitzen zum Glühen. Das Deputy-Hemd spannt sich über ihre
knochigen Schultern, im V des offenen Kragens zeichnen sich unter
Myriaden Sommersprossen Brustbein und Rippenansätze ab. Alles an ihr
wirkt auf eigentümliche Weise rau und prototypisch, als habe sie die Vorlage
für ein gefälligeres Serienmodell geliefert, das nun durch Werbespots und
Vorabend-Soaps geistert, während ihr die letzte Politur versagt blieb. Vor
fünf Jahren ist sie zu Luthers Team gestoßen, präziser gesagt zu Carl Mara,
dem amtierenden Sheriff, auf Luthers Betreiben hin. Da war sie einundvierzig
und trug schon eine Härte in ihren Zügen, wie man sie oft bei Menschen
findet, denen so lange etwas Entscheidendes vorenthalten wurde, bis sie
begannen, es sich selbst vorzuenthalten.
Luther überlegt. »Kann er sie im Baum gesehen haben?«
»Von hier oben?« Sie schüttelt den Kopf. »Wir sehen sie ja selber kaum.
Für die Logenplätze musst du runter zum Fluss. Und dann nachts? Keine
Chance.«
»Was, wenn er ins Geäst geleuchtet hat?«
»Ja, bloß, der Scheinwerfer, mit dem sie Batman rufen, steht in
Hollywood.«
Er muss sich eingestehen, dass sie recht hat. Die Leuchtkraft keiner
handelsüblichen Taschenlampe hätte ausgereicht, um die tieferen Schichten
der Kiefer zu durchdringen und die Frau darin zu erkennen. Selbst jetzt blitzt
das Weiß ihrer Bluse nur sporadisch durch die Äste.
»Also konnte er bestenfalls vermuten, wo sie war.«

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