schmetterling

(Martin Jones) #1

ihnen liegt eine offene Fläche, gespickt mit rundlichen weißen Steinen.
Unübersehbar ziehen sich Furchen durch den Schlamm, kleine Gräben, in
denen noch das Wasser steht.
»Die ist gerannt, Luther. Den ganzen Weg runter bis zur Kante.«
Geschlittert, ausgerutscht, gesprungen. Verloren in einem triefenden
schwarzen Loch. Ihre Fersen haben sich in die Erde gebohrt und sie
aufgerissen, als sie dem Canyon wie blind entgegenstolperte. Sie hat in Kauf
genommen, sich die Knöchel zu brechen, die Haut von den Knochen zu
fetzen, nur um am Ende von ihrem eigenen Schwung in den Tod getragen zu
werden, in einer Wolke aus splitterndem Holz. Die Sträucher haben den
dahinterliegenden Abgrund so vollständig verborgen, dass nicht mal der
Vollmond ihr hätte zeigen können, was sie erwartete.
Nämlich Leere.
Luther stellt sich vor, wie sie ins Bodenlose stürzt. Ihre Verwirrung,
hochschlagende Panik. Der Schock, den einen fatalen Schritt zu viel nicht
rückgängig machen zu können, oder vielleicht doch, durch schnelles
Aufreißen der Lider – Hoffnung, ein tanzender Funke, vom Wissen erstickt,
dass dies kein Traum ist, während der Moment, in dem ihre Füße auf Grund
hätten treffen müssen, um den Sturz zu überleben, verstreicht. In rasendem
Fall verglühen ihre Optionen. Ihr Schrei explodiert zwischen den Wänden des
Canyons, durcheilt die Nacht, jagt über das Dunkel der Berge dem Ozean
entgegen und darüber hinweg, umflutet den Erdball, um auf sich selbst zu
treffen –
»Luther?«
Er starrt zwischen die Furchen. Noch mehr Spuren, weniger tief, dafür
klarere Ränder. Womöglich von dem Mann, dessen Fußabdruck sie an der
Kante gefunden haben.
»Willst du eine Theorie auf die Schnelle, Sheriff, mein Sheriff?«
»Raus damit.«
»Nehmen wir an, beide saßen im Wagen –«

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