schmetterling

(Martin Jones) #1

zur Hintertür – und da sind sie wieder, die fahlen Geisterflechten,
verschieden groß in unregelmäßiger Folge, wie herabgetropft, und genau so
verhält es sich.
Denn natürlich sind es keine Flechten.
Es ist Blut.


Nachdem er das zweite Bier halb getrunken hat, fühlt er den Alkohol durch
seine Blutbahn zirkulieren. Luther steht auf, geht zur Reling und verliert sich
in der Pracht der Sterne. Nichts erhellen sie außer die Nacht. Tatsächlich
erscheinen sie ihm anonymer denn je, ein fremder, uferloser Ozean. Als er
den Blick wieder senkt, gehen im Restaurant die Lichter aus. Die Scheiben
reflektieren den Pier. Vor dem historischen Gebäude der Pacific Rail Road
Company lagern ausgemusterte Waggons in ihren Schienen, Schaustücke aus
Tagen, als Eisenbahnfahrten noch ein Abenteuer waren. Luther sieht die alte,
rostige Lokomotive in der Spiegelung, den Santa-Fé-Schriftzug auf dem
Tender, das wehende Sternenbanner vor der Skyline –
Sieht sie.
Kurz nur. Ihre schlanke, hochgewachsene Silhouette. Sieht sie aus dem
Schatten der Lokomotive treten, um gleich wieder dahinter zu verschwinden
und in Lauerstellung zu gehen.
Die Jägerin passt den Moment des Zuschlagens ab.
Anderthalb Meilen zum Hotel.
Er könnte sich ein Taxi rufen. Oder einfach sitzen bleiben. Im Schiff
verschwinden. Auf der Delta King steht ihm so ziemlich jede Tür offen. Er
könnte den Schutz einer Kabine aufsuchen, bis es dämmert und sich der Pier
wieder belebt. Alles dies könnte er tun. Stattdessen zieht er die Kapuze hoch,
läuft die Gangway hinab auf den Pier und zurück in Richtung Tower Bridge,
wissend, dass sie ihm folgt.

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