schmetterling

(Martin Jones) #1

immer neue Begrabene mit seinem Gesicht entdeckt. Dass ihm darüber nicht
vollends der Verstand abhandenkam, verdankte sich zwei Gründen: Erstens
fiel Ruths Bericht in seiner Ungeheuerlichkeit weniger überraschend aus, als
man hätte erwarten sollen, da er Luthers Theorie hinsichtlich seines Alter
Egos nur bestätigte. Zweitens nahm ein Teil von ihm willfährig zur Kenntnis,
dass sich durch den Tod des hiesigen Luthers die Konkurrenzlage schlagartig
zu seinen Gunsten verbessert hatte.
Elend wiederum fühlte er sich, weil ihm Letzteres heftige Schuldgefühle
aufbürdete. Außerdem würde die Wahrheit, sollte sie ans Licht kommen, ihn
des gewonnenen Vorteils gleich wieder berauben. Er vermied es, Ruth an
solch niederen Überlegungen teilhaben zu lassen. Sie kam von selber drauf,
also sagte er das Einzige, was es in dieser Lage zu sagen gab: »Wenn du es
melden musst, dann melde es.«
Sie schwiegen ein paar Augenblicke, während derer sich das Universum
dehnte.
»Ich bin im Arsch«, seufzte Ruth schließlich. »Oh, Mann.«
»Ich auch.«
»Kommst du klar?«
»Wie man so klarkommt. Was ist mit dir?«
»Abgesehen davon, dass ich braune Käfer aus deinem Mund hab krabbeln
sehen, geht’s mir prima.«
Er spürte ihre Befangenheit. »Ich habe ihn nicht umgebracht.«
»Hab ich das behauptet?«
»Nein. Aber ich will nicht, dass da was im Raum steht. Du könntest
glauben, ich sei der böse Zwilling. Nach allem, was ich dir erzählt habe,
würde ich dir keinen Vorwurf machen.«
Er hörte sie schwer atmen, dann sagte sie: »Ich glaube dir. Grace hat den
Mann getötet, den ich hinter deinem – hinter seinem Haus –« Ihre Stimme
wurde kratzig, stockte. »Entschuldige, es ist nur so, dass das der Mann ist,
den ich kannte. Ich schätze also mal, Luther – mein Luther – ach Scheiße!«

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