schmetterling

»Lasst euch nicht einschüchtern, Ruth.«
»Pass auf dich auf. Und halt mich auf dem Laufenden.«
Er verlässt das Haus und die Woodside Highlands und macht sich auf den
Weg zum Nordvisk-Hauptquartier. Die Straße schwingt sich zwischen
Waldstücken und Wiesen, auf denen Pferde grasen, abwärts, führt durch
sonnenverbrannte, buschgesprenkelte Hügel. Bald hat er die Talsenke mit
Palo Alto im Blick und kann in der Ferne den Hoover Tower sehen, das von
der Salamanca-Kathedrale inspirierte Wahrzeichen der Stanford Universität.
Wie eine startbereite, neoklassizistische Mondrakete ragt er in den blauen
Himmel. Bionisch anmutende Bauten rücken näher, deren Konturen Wolken
oder Ozeanwogen, vielleicht auch Medusen nachempfunden sein mögen. Auf
den gewölbten Glasflächen verteilen sich die Sonnenstrahlen, gläserne
Tunnel verbinden die Teile der Anlage untereinander, dann taucht das
Hauptgebäude auf, von dem Luther schon Fotos gesehen hat, ein Ding von
der Form eines riesigen, in der Landschaft liegenden Wassertropfens, und
genau so nennen sie es: The Drop.
»Ein Wassertropfen«, hat Elmar gesagt, »versinnbildlicht die Entstehung
jeglichen Lebens und alles Neuen. Im Wasser bildeten sich erste komplexe
Verbindungen, organisierten sich zu ersten Zellen, alles ging daraus hervor.
Schauen Sie durch ein Mikroskop in einen Wassertropfen, und sie erblicken
ein Universum. Und noch etwas erblicken Sie, woran es unserer zerstrittenen,
in protektionistische Strukturen zerfallenden Weltgesellschaft zusehends
mangelt: Transparenz.«
Das Universum hat einen Parkplatz.
Luther stellt den Wagen neben einem Tesla ab, steigt aus und lässt den
Blick unschlüssig über das Gelände wandern. Schwer abzuschätzen, welche
Fläche es einnimmt. Über die Zufahrt nähern sich große, firmeneigene Busse
mit geschwärzten Scheiben: Nordvisk betreibt ein eigenes Shuttlesystem, wie
er aus Phibbs’ Dossier weiß, die wenigsten Mitarbeiter können es sich leisten,
in Palo Alto zu wohnen. Halb zwölf. Zeit, sich noch ein bisschen umzusehen.