schmetterling

(Martin Jones) #1

»Glaube ist ethisches Niemandsland.«
»Ja, wir sollten öfter mal innehalten.«
Überrascht stellt Luther fest, dass sie das Nordvisk-Gelände hinter sich
gelassen haben und auf der Grenze zwischen Palo Alto und Mountain View
unterwegs in Richtung San Francisco Bay sind.
»Moment. Wollten Sie mir nicht Ihre Labors zeigen?«
»Wir fahren zu meinen Labors.«
»Ich dachte –«
»Meinen alten Labors. Ich hab sie aus Sentimentalität behalten. Wissen
Sie, Elmar und ich waren mal liiert, als ich noch in Berkeley lehrte.« Sie rollt
lachend die Augen. »Wir haben versucht, zusammen zu wohnen, aber meine
Vorstellung eines behaglichen Zuhauses ist nicht die eines leeren Hangars,
wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich dachte, wenn ich schon ausziehe,
nehm ich was, wo ich auch in Ruhe forschen kann, wenn es in Berkeley eng
wird, und fand diese leer stehenden Geschäftsräume unweit des alten NASA-
Geländes. Gleich um die Ecke saß Google und ging auf wie ein Hefekuchen,
schien eine spannende Gegend zu sein.«
Sie verlässt die Hauptstraße und fährt einen Industrieweg entlang. Luther
präsentiert sich das übliche Bild: von Hecken und Bäumen umrahmte
Arbeitsflächen, die meisten Gebäude ein- bis zweigeschossig.
»Wirklich gewohnt habe ich da kein Jahr. Aber EditNature trug Früchte,
ich konnte meine Arbeitsgruppe aufstocken und herholen.« Eleanor biegt auf
einen Parkplatz vor einem Zweckbau mit rauchdunklen Scheiben. »In den
drei Jahren, die ich danach in Colorado war, hab ich die Räume Startups zur
Verfügung gestellt, die mit medizinischer Software arbeiteten. Ich dachte,
wenn ich zurück bin, rüste ich hier mal richtig auf, aber dann bot mir Elmar
an, bei Nordvisk einzusteigen. Seitdem leiste ich mir die alten Labors nur
noch, um sie studentischen Forschungsgruppen zur Verfügung zu stellen.«
Luther lässt den Blick über den kaum genutzten Parkplatz schweifen.
»Sieht nicht sonderlich belebt aus.«

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