schmetterling

(Martin Jones) #1

Familie etwas, das praktisch alle namhaften Literaten zu Tragödien inspiriert
hat, in deren Verlauf genetisch bedingte Verworfenheit mit deprimierender
Regelmäßigkeit in ein abscheuliches Ende mündet. Sich selbst nimmt sie von
ihrer Verachtung nicht aus. Der Ehrlichkeit halber, lautet ihr Credo, sollte
man schon in sehr jungen Jahren Abstand von der Vorstellung nehmen,
besser geraten zu sein als die eigenen Erzeuger, und die Hatherley’sche
Genealogie umfasst nun wirklich nichts, das man in Leder gebunden auf dem
Nachttisch liegen sehen möchte. Soweit Marianne ihre Abstammungslinie
zurückverfolgen kann, erblickt sie einen Haufen elender Taugenichtse, die
allesamt dieselbe verkorkste Helix aneinander weitergereicht haben, wie also
könnte sie besser sein? Woran auch der Umstand nichts ändert, dass sie es als
Einzige in ihrer Sippschaft zu akademischen Weihen gebracht hat. All die
gescheiterten Goldgräber, inzestuösen Hühnerzüchter und verlogenen
Baptistenprediger vor Augen, die sie durch ihre Kindheit geprügelt haben,
hätte sie zwar Anlass zu ein bisschen Selbsterhöhung, doch am Grunde allen
Bemühens schillert nun mal der Charakter.
Und der ist in Mariannes Verständnis ihrer Person schlecht, weil er
erbbedingt nicht anders sein kann.
So begegnet sie Darstellungen, sie habe nie geheiratet, mit den Worten,
niemand habe ein Aas wie sie heiraten wollen, und schöpft aus ihrer selbst
diagnostizierten Unzulänglichkeit die Freiheit, jedermann zu begegnen wie
ein offenes Messer. Als nun ihr Vater vor acht Jahren voll wie ein Fass zum
Angeln ging und der Zwölf-Kilo-Karpfen, den er prompt am Haken hatte, die
größeren Kräfte entwickelte, wurde in Goodyears Bar das elterliche Haus
frei. Da niemand sonst Anspruch darauf erhob, befand Marianne zwanzig
Jahre FBI als ausreichend und Sierra als arm genug an sozialen
Herausforderungen, um sich nicht jeden Tag darüber grämen zu müssen,
ihnen nicht gewachsen zu sein. Sie eröffnete eine bescheidene Praxis für
Allgemeinmedizin, von ihr spöttisch Institut genannt, und arbeitet seither
dem Sheriffbüro als Gerichtsmedizinerin zu, und wenn sie dort überhaupt

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