schmetterling

(Martin Jones) #1

Sie lässt sich in den alten, abgewetzten Sitzsack gegenüber der Holo-Wand
fallen. Sieht ihr Handy blinken. Elmar. Ein Wunder, dass er nicht längst
versucht hat, sie zu erreichen. Mittlerweile sollte er herausgefunden haben, in
wessen Begleitung Luther Opoku das Gelände verlassen hat.
Sie geht nicht ran.


Durch die Nacht.
Eine Tote neben sich, die leise schnarcht. Er selbst – ruhig? Doch, schon.
Den Kopf zwar angefüllt mit neuem Wissen, das nur darum noch Platz fand,
weil es ihn nicht zwang, seine Grundannahmen über sich und die Welt erneut
zu schreddern. Doch hier, auf der nächtlichen, kaum befahrenen Bergstraße,
wenige Meilen vor der County-Grenze, wo die Zedern dichter
zusammenrücken, dunkel und rätselhaft wie Hüter uralter Geheimnisse,
erfüllt ihn der stille Friede des Nach-Hause-Kommens.
Zu Hause auf einem fremden, vertrauten Planeten.
Schrittweise hat sich die Frau neben ihm komplettiert. Vom anonymen
Leichnam zu jemandem, dem Eltern einen Namen und andere später einen
Job gegeben haben. Mit verhangener, rauer Stimme, die ihr Anrufbeantworter
beisteuerte, bis sie endlich auferstanden in sein Blickfeld trat, rüde und direkt,
die feineren Wesenszüge misstrauisch verschanzt. Es gibt eine Zeit der Pläne
und eine der Geschichten – der Plan war gefasst, die Fahrt lang und eintönig,
also begann Luther von Jodie zu erzählen und sah das Eis, das Pilar umgab,
dünner werden und ihre eigene Geschichte durchschimmern: Coatzacoalcos,
Mexiko. Achtziger. Ein Ehepaar linker Tierärzte, keine nennenswerten
Einkommen, was sie mit glühenden Worten der moralischen Verkommenheit
des Menschen zuschrieben. In Pilars Kinderzimmer das gerahmte Portrait
Arthur Schopenhauers: Nicht Erbarmen, Gerechtigkeit ist man den Tieren
schuldig! Der Vater zornig. Auf dies, auf das. Einfach als Grundhaltung. Nie

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