schmetterling

(Martin Jones) #1

hoch zu seinem Haus und sieht Kimmy mit ihrem Sohn Willie aus der Tür
treten. »Hey. Was macht ihr denn hier?«
»Oh, Luther.« Kimmy spreizt alle zehn Finger. »Tamy ist ja so gut! Wir
haben im Duett gesungen. Ich darf morgen zwei Songs mitsingen.« Ihr Blick
wandert erschrocken zum ersten Stock, der in Dunkelheit liegt. Im Flüsterton
fährt sie fort: »Ich mach die zweite Stimme bei Heart of Glass, weißt du?
Obwohl es da gar keine gibt.«
»Und wie machst du sie dann?«, flüstert er zurück.
»In between what I find is pleasing and I’m feeling fine –« Die kleine
Disponentin wiegt sich in den Hüften, über denen ein knallenger Jeansrock
um den Erhalt seiner Nähte kämpft. In ihrem aufgetürmten Haar wippen
farbige Bänder. Es sieht ein bisschen so aus, als trage sie einen Geschenkkorb
auf dem Kopf.
»Mama«, nörgelt Willie.
»War’s sehr schlimm?«, fragt Luther mitfühlend.
»Nö.« Der Junge grinst verlegen. »Ganz okay.«
»Geh rasch zu ihr hoch«, drängt Kimmy. »Vielleicht ist sie noch wach. Ich
finde ja, dass sie viel mehr nach Linda Ronstadt als nach Debbie Harry
klingt. Ups!« Augenrollend legt sie eine Hand auf ihre Lippen. »Verrat ihr
bloß nicht, dass ich das gesagt hab. Oh, ist das spät! Ich wollte doch noch
backen. Ach herrje, halb eins durch! Du hattest übrigens in allem recht,
Luther. In allem. Unheimlich geradezu.« Sie hüpft auf der Stelle, dreht sich
um und stiebt davon.
»In was?«, zischt er ihr hinterher.
»Deine Vorhersagen. Alle eingetroffen.«
»Zufall.«
»Nein, nein. Du hast eine Gabe. Du hast ganz sicher eine Gabe!« Hastig
stöckelt sie die kaum beleuchtete Straße hinab, ihren ungelenken Sohn auf
den Fersen, und Luther denkt: stimmt. Ich habe die Gabe, Leute zu verwirren
und auf falsche Fährten zu führen. In einer Aufwallung schlechten Gewissens

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