schmetterling

(Martin Jones) #1

»Was hast du für mich?«
Sie fischt eine Akte aus ihrer Umhängetasche und legt sie seufzend neben
ihn, ohne sie zu öffnen. »Genickbruch. Daran ist sie gestorben. Zwischen
Mitternacht und ein Uhr morgens.«
»Genickbruch«, wiederholt Luther langsam. »Und wie –«
»Mutter Natur. In ihrem Kinn fanden sich Borkensplitter. Der Aufprall hat
ihren Schädel derart zurückgeschleudert, dass der Dens axis keine Chance
hatte. Ihr Rückenmark wurde durchtrennt, sofortige Zerstörung des Atem-
und Kreislaufzentrums. Als sie in den Ästen zur Ruhe kam, war sie schon
tot.«
»Was ist mit den anderen Verletzungen.«
Marianne schüttelt den Kopf. »Keine tödlich oder nur annähernd
lebensbedrohlich. Sie hat drei gebrochene Rippen und eine
Schienbeinfraktur, schließlich ist sie durch den kompletten Baum gerasselt,
aber mit etwas mehr Glück könnte sie noch leben.«
»Also stammen alle Verletzungen vom Sturz.«
»Nein.« Marianne reibt ihre Fingerknöchel. Die Adern auf ihren
Handrücken winden sich wie Schlinggewächse. Sie schaut Luther an.
»Hättest du vielleicht doch ein Glas Wasser für mich?«
»Natürlich.«
Er geht nach draußen zum Wasserspender und füllt einen Becher ab. Als er
zurückkommt, hat sie mehrere Fotos über den Schreibtisch verteilt. Sie
zeigen die Tote in obduziertem Zustand, aufgenommen aus verschiedenen
Distanzen und Winkeln. Ihre zahllosen Wunden sind gewaschen, die Augen
geschlossen, der Y-Schnitt ist vernäht. Die Haut schimmert wächsern und
bläulich, und die Totenflecken prägen sich dunkel aus. Asiatisch anmutende
Tattoos zieren Arme und Rücken.
»Man erkennt es nicht auf den ersten Blick«, sagt Marianne und zieht ein
Foto heran. Es zeigt eine seitliche Nahaufnahme des Kopfes. »Der größte

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