schmetterling

(Martin Jones) #1

Sofort hat er ein schlechtes Gewissen. Denn natürlich verdankt sich
Kimmys buchhalterische Fürsorge ihrem liebenswerten Wesen, dem kein
Mangel und keine persönliche Vorliebe entgehen. Sie bemuttert die Deputys
wie eine Wölfin ihre Jungen, schleppt unermüdlich Tabletts mit Kuchen und
anderen verzehrenswerten Dingen herbei und bevorratet das Büro, als stünde
eine mehrwöchige Zombie-Belagerung zu erwarten. Man kann mit ihr Kriege
gewinnen. Nur, wenn etwas fehlt, von dem sie meint, es solle da sein, schlägt
das Ordnungsamt in ihrem Kopf über alle Verhältnisse hinaus Alarm. Luther
wird mit seiner Notrufdisponentin reden müssen. Wegen Milch im Drugstore
verschollen zu gehen, während sie hier zwischen alle Gäule gespannt sind,
das schreit nach Neuordnung ihrer Prioritäten.
Jamie bringt sich vor seinem Computer in Stellung. »Woran ist die Frau
denn nun gestorben?«
»Genickbruch.«
»Und was heißt das?« Die Finger des Deputys verharren über der Tastatur.
»Mord?«
»Eher nein.«
»Was haben wir dann da draußen? Unfallort oder Tatort?«
»Möglicherweise beides.«
»Und was soll ich jetzt schreiben?«
»Von sinistren Mächten in den Tod getrieben«, murmelt Luther, in
Gedanken an der Absturzstelle.
»Sehr poetisch. Kann ich das so –«
»Quatsch, Blödmann. Lass es offen.«
Wie ärgerlich es ist, das Ganze nicht einfach Mord nennen zu können.
Körperverletzung, Nötigung, unterlassene Hilfeleistung – schwergewichtige
Summanden in einer Gleichung, auf deren rechter Seite wie zum Hohn das
Wörtchen Unfall steht, lächerlich. Als hätten sie es mit dem Resultat eines x-
beliebigen Fehltritts zu tun. Gleichzeitig unterspült ein Gefühl des Zweifels
seine Selbstsicherheit, und das ärgert ihn beinahe noch mehr. Was, wenn es

Free download pdf