schmetterling

(Martin Jones) #1

»Genau. So kommen wir doch alle auf die Welt. Schon mal ’nen Säugling
gesehen, der nach dem ersten Schrei die Menschenrechtsdeklaration
runterbetet?«
»Dann wird er aber feststellen, dass unseren Werten keine Algorithmen
zugrunde liegen, sondern ständig wechselnde Interpretationen.«
»Aus denen jede Menge Elend resultiert!«
»Bigotterie. Amoral!«
»Stimmt alles, Leute, darum hier mein Vorschlag: Wir bauen ihm ein sehr
loses Gerüst aus Regeln. Darüber hinaus versuchen wir gar nicht erst, ihm
Werte zu programmieren, sondern lediglich einen breitestmöglichen Konsens
darüber zu erzielen, was man nicht tut.«
»Und wie erscheint dann der Wert?«
»Durch schrittweises Wegstreichen all dessen, was ihm entgegensteht.«
»So wie beim Brüchekürzen?«
»Eher wie beim makedonischen Bildhauer. Kennst du nicht? Hat mir Hugo
erzählt, altes Griechenland – also da ist dieser Bildhauer, voll der Crack. Hat
für den König einen Marmorlöwen gemacht. Beim Zeus, ruft der Alte, wie
schaffst du es bloß, aus einem Marmorblock solch einen prächtigen Löwen
zu erschaffen? Ganz einfach, sagt der Makedonier. Ich nehm mir ’n Meißel
und hau alles weg, was nicht nach Löwe aussieht.«
Gelächter. »Bisschen tollkühn, dein Ansatz.«
»Nein, nur so geht’s! Woraus resultieren denn Werte, Mensch? Aus
negativen Erfahrungen im Bemühen, diese künftig zu vermeiden! Wir zeigen
Ares die Scheiße und lassen ihn das Gold darin von selber finden. Und für
jedes Körnchen Gold wird er belohnt. Ohne Vorgaben. Ohne dass wir ihn mit
unseren bornierten Vorstellungen einschränken. Er wird von selber darauf
kommen, was das Beste ist. Wenn er dann all das Gold einschmilzt und in
seine Form gießt, könnte daraus vielleicht eine neue, universelle Moraltheorie
entstehen.«
»Hey, Elmar – wir reden immer noch von einer Maschine.«

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