schmetterling

(Martin Jones) #1

wie stur auf die Besuche ihrer Kinder und Enkel zu verweisen, dank derer sie
jederzeit Gesellschaft habe.
Aktuell scheint es mit Gesellschaft nicht weit her zu sein.
»Ich kann zu ihr rausfahren«, bietet Jamie an. »Könnte ich gerade noch
schaffen, bevor –«
»Nein.« Luther greift nach seiner Jacke und geht zur Tür. »Ich muss
sowieso in die Richtung. Phibbs wartet auf mich.«
Und es war doch Mord, denkt er im Hinausgehen.
So was in der Art jedenfalls.


Sierra County ist ein beständig ansteigender Hang, die seewärts gelegene
Flanke der nördlichen Sierra Nevada. Den Großteil der Vegetation bilden
Mischwälder, denen mit zunehmender Höhe imposante Felsmassive
entwachsen, durchlöchert wie Termitenbauten. Meile um Meile bröckelnden
Tunnelwerks haben die Goldgräber vergangener Epochen hinterlassen. Auf
dem Höhepunkt des Rauschs Ende des neunzehnten Jahrhunderts lebten in
Downieville über fünftausend Menschen, heute sind es knapp dreihundert,
und immer noch wird emsig geschürft, sobald der Goldpreis steigt. Das
Gestein sei voll des Edelmetalls, heißt es, und wie um den Traum zu nähren,
prangen Nachbildungen faustgroßer Nuggets in einer Vitrine der
Gemeindeverwaltung, doch die harte, beschwerliche Arbeit macht niemanden
reich. Die meisten Siedlungen wurden vor langer Zeit aufgegeben. Was an
nennenswerten Ortschaften geblieben ist, reiht sich auf die gewundene
Schnur des Golden Chain Highway, mit Downieville als Verwaltungssitz,
Sierra Stadt – in etwa so städtisch wie Mittelerde –, Sattley, Sierraville und
schließlich Loyalton im Osten, ein beschauliches Örtchen voller Farmer,
Holzfäller und Eskapisten. Luthers Mutter betreibt dort ein Café, und Luther
muss an sie denken, als er mit quietschenden Reifen vom Highway in die

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