schmetterling

(Martin Jones) #1

»Derzeit gibt es keine freien Plätze auf dem ENC-Deck«, sagt das Navi, als
der Lilium Jet über dem EditNature Center tiefer geht. »Grund des hohen
Andrangs ist die California Robot Fair. Nächste Landemöglichkeit: Presidio,
Main Post Destrict, Graham Street.«
»Scheiße, das ist über ’ne halbe Meile«, mault Jim.
Die frühere Militäranlage mit ihren restaurierten historischen Kasernen,
krakeligen Straßen und Wäldchen rangiert unter den teuersten Wohn- und
Gewerbeanlagen der Welt, was jedem sofort einleuchtet, der einmal vom
Lucasfilm-Gebäude oder Fort Winfield Scott aus den rotgoldenen Strang der
Golden Gate Bridge geschaut und sich in ihrer Metaphysik verloren hat. So
nah ist man ihr hier, dass sie dem Betrachter erscheint wie der ausgreifende
Arm seiner unausgesprochenen Wünsche und Sehnsüchte – eine magische
Passage, die Zivilisation und Wildnis ineinander transformiert. Überallhin
könnte sie führen, Versprechen eines Wegs, auf dem jede Textzeile Scott
McKenzies unverbrüchlich gilt. Sie erst schleift Presidio an der Spitze San
Franciscos zum Juwel. Presidio: zweieinhalb Quadratmeilen unverhohlensten
Elitedenkens, mit dem EditNature Center als Guckkasten in die Zukunft. Vor
der monströsen Travestie des Palace of Fine Arts ist es ins Meer gebaut,
Wasser und Himmel verschmelzend. Eine irisierende Meduse, groß wie drei
Flugzeughangars und doch vollkommen schwerelos. Die Haut des organisch
geformten Leibes changiert, als blicke man durch Schichten geschliffenen
Glases oder gläsernen Gewebes, ein spektrales Rätsel, in Tiefe und Feuer an
Opale erinnernd.
Bis auf den letzten Platz ist das Flugfeld besetzt. Ringsum sieht es nicht
viel besser aus. Ohne Unterlass strömen die Kabinenautos heran, scheiden
Menschen aus, nehmen neue auf, ein symbiotischer Prozess. Gleiter, Drohnen
und größere Luftfahrzeuge kreisen über dem Gelände, Wassertaxis docken an
die Piers des ENC, die sie wie Tentakel einzufangen scheinen.


»Okay, lass uns am Haupteingang raus«, sagt Kenny. »Danach kannst du
parken, wo du willst. Hauptsache, nah.«

Free download pdf