schmetterling

(Martin Jones) #1

Saddleback Road biegt, eine der zahlreichen Gebirgsstraßen, die selbst
während der Mountainbike-Meisterschaften Einsamkeit ausstrahlen. Knapp
fünfzig Meilen trennen Downieville von Loyalton. Die dreiviertel Stunde
Fahrt dorthin rechtfertigt kaum die Spärlichkeit seiner Besuche, auch wenn
die Gegend Robbies Streifenrevier ist und Luther in Downieville am Rande
der Überforderung balanciert, doch jetzt gerade, während er die kurvige,
einspurige Straße entlangdrischt, zu einer alten Frau, die er kaum kennt, fragt
er sich, ob auch seine Mutter erst den Notruf betätigen muss, um ihn mal
wieder zu Gesicht zu bekommen.
Allerdings würde Darlene Opoku vehement abstreiten, sich von ihrem
Sohn vernachlässigt zu fühlen. Sofern sie überhaupt noch den Wunsch
verspürt, ihm etwas einzubläuen, dann, dass er genug für Sie getan habe.
Genug zur Sicherung seiner Kreditwürdigkeit dereinst vor der
Himmelspforte, an deren Existenz sie ebenso unerschütterlich glaubt wie an
die Gnade der dahinter waltenden Mächte. Luther, weit davon entfernt, sich
moralisch auf der Habenseite zu wähnen, musste hingegen nicht erst des
Glaubens an ein jenseitiges Bilanzwesen beraubt werden; er hat Religion
schon als kollektiven Defekt wahrgenommen, als seine Mutter noch Stein
und Bein auf die Vorzeigekraft ihrer Ehe schwor, und die brach entzwei, als
er zehn war. Sein Unglaube ist somit das Einzige, das sie bekümmert,
wenngleich nicht in einem Maße, dass es ihr Gottvertrauen trübte. Sieht Gott
nicht alles? Er wird schon wissen, was ihr Junge geleistet hat, und ihn Teil
seiner Herrlichkeit werden lassen.
Genau da liegt das Problem. Denn in Wahrheit hält ihn weniger
Überlastung als die Unterschiedlichkeit ihrer Auffassungen ab, sie öfter zu
besuchen. Es ist ihre überschäumend hohe Meinung von ihm, der er sich
ausgesetzt sieht wie einem partout nicht zu klärenden Missverständnis. Wäre
sie nur ein bisschen weniger im Auftrag des Herrn unterwegs, könnten sie in
irdischen Belangen vielleicht besser zueinanderfinden, und sie würde ihm
endlich auch den Mist, den er gebaut hat, schonungslos unter die Nase reiben,

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