schmetterling

(Martin Jones) #1

doch sie huldigt ihm mit dem Kirschkuchen seiner Kindheit und nennt ihn im
Minutentakt ihren guten Jungen.
Die Bäume fliegen am Seitenfenster vorbei.
Nach zweieinhalb Meilen schießt Luther ungebremst in die Oak Ranch
Road, parkt den Streifenwagen am Straßenrand und läuft über die staubige
Auffahrt auf Merle Grubers Haus zu, die Rechte locker am Holster. Das
grelle Mittagslicht saugt alle Kraft aus den Farben, wie auf einem Plakat, das
zu lange in der Sonne gehangen hat. Zuckerkiefern und Goldtannen säumen
den Weg, die Stämme kahl bis in die Spitzen, dazwischen bauschen sich
Eiben und Schwarzeichen. Luther passiert eine Doppelgarage mit Rolltor.
Der Chevrolet Pickup davor wurde länger nicht bewegt, abgestorbene Nadeln
und bräunlich verfärbte Blätter sammeln sich zwischen den
Scheibenwischern. Über ihm stößt ein Kiefernhäher warnende Schreie aus.
Ein Eichhörnchen, kopfüber in eine Tanne gekrallt, beäugt Luther mit
Argwohn und geht vorsorglich stiften. Von Downieville und dem Highway
ist hier oben nichts zu hören.
»Mrs. Gruber?«
Sein Blick wandert über das marode Holzhaus, dessen Vorderfront auf
Stelzen ruht, um das Hanggefälle auszugleichen. In den Zwischenräumen
stapelt sich Brennholz, ein elektrischer Rasenmäher ist mit einer Plastikplane
abgedeckt. Vor den Fenstern hängen Blumenkästen, in denen nichts wächst.
Wie aus Solidarität mit der Bewohnerin ist das Giebeldach unter der Last der
Jahre arthritisch in sich zusammengesunken. Eine Fernsehantenne Marke
Eigenbau schmiegt sich ans Mauerwerk des Kamins, rechts führt eine von
Gussleuchten flankierte Treppe hoch zur Tür und auf die rundum laufende
Veranda. Ein betäubender Duft nach Bärenklau und Flieder steht in der Luft,
vermischt mit Eukalyptus und dem zitrusartigen Aroma der Tannen. Luther
erklimmt die Stiege und späht durch die Fliegengittertür. Schellt und hört den
Glockenton in leeren Räumen verhallen.
»Mrs. Gruber? Sind Sie da?«

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