schmetterling

(Martin Jones) #1

bekommen und tot abgeliefert. Hat so seine Vorteile. Du kannst niemanden
noch kränker machen oder verlieren.«
»Du hast Angst um Jayden.« Sachlich, eine Feststellung.
Hab ich das? Warum denn? Ich kenne den Kerl kaum. Wir teilen nichts,
worüber man reden könnte oder schweigen sollte. Ich bin unversehens Teil
seiner Geschichte geworden, das ist alles. Könnte mir vollkommen egal sein,
ob er die nächste halbe Stunde übersteht oder nicht, aber ja, ich habe Angst
um ihn. »Ich habe so lange niemanden mehr geheilt«, sagt sie. »Ich weiß gar
nicht, ob ich das noch kann.«
Zoe schaut sie weiter an. Übergangslos liegt ein Lächeln auf ihren Zügen.
Ihre Haut ist von solcher Makellosigkeit, dass Marianne es kaum
fertigbrächte, das Skalpell bei ihr anzusetzen, selbst wenn sie dreimal tot
wäre. Sofern sie im üblichen Sinne sterben kann.
»Was man fühlt, ist nicht, was man ist«, sagt die makellose Frau sanft.
»Klar. Immer her mit den Glückskeksen.« Marianne lacht. Sie hasst ihr
Lachen. In ihren Ohren klingt es wie über den Asphalt fegendes Laub.
»Nein, wirklich. Gefühlszustände werden überschätzt.«
Sie mustert Zoe. »Was bist du?«
»Ein Mensch.«
»Und was ist dann dein Körper?«
»Metall, Schaltkreise, Silikon, synthetische Muskeln und Haut aus meinen
Stammzellen.«
»Blutest du?«
»Ungern. Es zeigt mir am deutlichsten, was ich nicht mehr bin.« Zoe steht
auf. »Ich war Elmars letzte Assistentin, bevor er sich zurückzog. Wir kamen
gut miteinander aus, aber dann erwischte mich das Karzinom.« Sie zeigt
dorthin, wo bei einem Mensch die Bauchspeicheldrüse liegt. »Meine
Optionen beschränkten sich darauf, es mit oder ohne Chemo hinter mich zu
bringen. Das Leben. Elmar schlug mir einen dritten Weg vor. Ohne jede
Garantie.«

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