schmetterling

(Martin Jones) #1

»Als Kopie.« Wie eigenartig. Zoes gleichmäßiger Duktus wirkt sowohl
belebend als auch beruhigend auf Marianne. Sie könnte sich stundenlang mit
der jungen Frau – ist das der richtige Begriff? Mit dem Roboter – nein, das
fühlt sich komplett falsch an – wie soll sie bloß –
»Kopie hat etwas Abwertendes, findest du nicht?« Lächeln, Leuchten. Was
ist so eigentümlich an diesen goldfarbenen, leicht geweiteten Augen? Im
selben Moment weiß sie es. Nie ändert sich das Konzentrationslevel in ihnen.
In Zoes Blick paart sich tiefes Wissen mit dem permanenten Staunen des
Neugeborenen, das noch keine Vorstellung seines Ichs hat. »Sagen wir lieber,
mein Geist wurde verdoppelt. Die ältere Version ist gestorben. Jetzt gibt es
wieder nur mich.«
»Und wie oft könnte es dich geben?«
»Oh, ich könnte unzählige Male vervielfacht werden. Aber wozu sollte das
gut sein?«
»Eine Armee aus Klonen. Hübsch konform.«
»Diese naiven Dystopien.« Zoe schüttelt nachsichtig den Kopf.
»Und deine Chemie?«
»Regelt dieser Körper. Ich finde ihn schon ganz gelungen.«
»Ich finde ihn vor allem sehr hübsch.«
»Danke.« Ihr Lächeln gewinnt an Strahlkraft. »Ich hoffe, der nächste wird
meine Mimik nuancierter wiedergeben.«
»Ja, aber – fühlst du noch wie die alte Zoe? Ich meine –« Sie stockt. Zoes
Blick ist zurück in ihr fremdartiges Inneres gewandert, ohne dass sich der
konzentrierte Ausdruck darin geändert hätte.
»Zoe«, sagt sie sanft ihren Namen. »Liebe, gute, alte Zoe. Als wir meine
Chemie ihrer angeglichen hatten, traten Dinge zutage – Unstimmigkeiten.
Zoe war wankelmütig. Manchmal Lachkrämpfe. Manchmal Depressionen. In
ihrem Körper ergab das Sinn. Ohne Körper nicht, und in diesem neuen auch
nicht. Ich bin nie krank. Nie hungrig. Keine Schmerzen. Wir haben mich neu
eingestellt. Ich empfinde wie ein Mensch, habe menschliche Gefühle – aber

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